Scharlatanerien und Spiegelfechtereien

Drama mit doppeltem Boden: Die Liebesfälscher von Abbas Kiarostami

Bei einer Buchpräsentation in der Toskana ist eine Kunsthändlerin (Juliette Binoche) sichtlich angetan vom Autor, dem Amerikaner James Miller (William Shimell). Sie verabreden sich und unternehmen anderntags spontan eine Spritztour durch das Umland. Statuen, Touristen und Hochzeitspärchen geben den Reisenden unterwegs Gelegenheit, ausgiebig über das Konzept der Originalität in der Kunst zu räsonieren. Dabei lockt sie, er gibt sich charmant, aber kühl. Schließlich landen sie doch in einem Hotelzimmer.

 

Ein ungewöhnlich direkter Film des ansonsten eher rätselhaften Iraners Abbas Kiarostami, der es zusehends schwerer hat, im Iran zu drehen. Die Schönheit von Juliette Binoche und die Schauwerte der Toskana nähren dabei den Verdacht, dass er hier dem europäischen Kunstgeschmack zuarbeitet. Zu offensichtlich scheint die Nähe zu den Plauderfilmen des Kinophilosophen Eric Rohmer oder zu Rossellinis »Viaggio in Italia«, in dem Ingrid Bergman und George Sanders durch eine Landschaft voller Marmorbrunnen und katholischer Rituale reisen.

 

Und doch ist »Die Liebesfälscher« eine konsequente Fortführung von Kiarostamis Lieblingsthemen: Simulation und Kopie, Wiederholung und Imitation, Variation und Verwechslung. Bereits 1990 porträtierte er im halbdokumentarischen »­Close-Up« einen Fälscher, der sich als Filmemacher Mohsen Makhmalbaf ausgibt; sein Cannes-Erfolg »Quer durch den Olivenhain« zeigt einen Regisseur beim Dreh eines Filmes, der genau wie Kiarostamis letztes Werk »Und das Leben geht weiter« heißt und aussieht. Diese Spiegelfechtereien haben bei dem 71-Jährigen mehrfache Implikationen. Da geht es mal um die platonisch-sufistische Anschauung, gemäß der alles Sichtbare Ausfluss und Reflex einer höheren Idee ist – und wo gilt das mehr als im Kino. Mal geht es um die Doppelmoral, die eine übermächtige soziale Kontrolle hervorruft. Und immer geht es darum, dass all diese und weitere Zumutungen vor allem mit Humor, als Spiel, zu sehen sind.

 

Irgendwann, in einem klei­nen Restaurant, gibt es in die »Die Liebesfälscher« einen sonderbaren erzählerischen Bruch, der allem bis dahin Gesehenen und Gesagten eine neue Bedeutung gibt, auch den scheinbar schlichten Szenen. Diese Irritation bleibt lange nach dem Kino­erlebnis, bis sich »Die Liebesfälscher« letztlich als weitere gelungene Scharlatanerie des rätselhaf­ten Iraners erweist.