Gute Aussicht: Schulprojekt sorgt für Friede, Freude, Eierkuchen in Ehrenfeld, Foto: Manfred Wegener

Schule statt Shopping-Klotz

Der Streit um ein Einkaufszentrum auf dem Helios-Gelände könnte beigelegt werden. Jetzt soll stattdessen eine Schule gebaut werden

Es war fast so, als habe Schuldezernentin Agnes Klein (SPD) ein Kaninchen aus dem Hut gezaubert. Monatelang hatten sich Politik und Verwaltung mit Ehrenfelder Bürgern gestritten. Denn die Firmen der Bauunternehmer Paul Bauwens-Adenauer und Heinz-Hermann Göttsch wollten ein überdimensioniertes Shopping-Center auf das Helios-Quartier setzen. Als Projektentwickler hatten die Investoren bereits die notorischen mfi aus Essen angeheuert, ein Unternehmen das in Köln schon auf dem ehemaligen CFK-Gelände in Kalk einen vergleichbaren Konsum-Klotz gebaut hatte. Baudezernent Bernd Streitberger (CDU) reagierte ungewohnt säuerlich auf die mfi-Vertreter, die in Kalk größer gebaut hatten als verabredet war.

 

Eine Bürgerinitiative und bald auch die Fraktionen der Bezirksvertretung begehrten auf: Es drohte die Zerschlagung der dort gewachsenen Veedelskultur und des Einzelhandels an der Venloer Straße – doch plötzlich herrscht Eintracht. Man gewinnt den Eindruck, es gehe nun nur noch um Details. Dabei hat die mühsam der Verwaltung abgerungene Bürgerbeteiligung, die im Dezember starten soll, noch gar nicht begonnen. Was ist passiert?

 

Idealer Standort für ein innovatives Schulkonzept

 

Agnes Klein, deren Dezernat auf der Suche nach Standorten für Gesamtschulen ist, hatte das Helios-Areal Ende letzten Jahres ins Visier genommen, weil es der ideale Standort für ein innovatives Schulkonzept sei, das die Universität Köln plant: Vergleichbar mit den Unikliniken für Medizinstudenten soll die »Inklusive Universitätsschule Köln« (IUS) eine Art Praxisschule für die Lehrerausbildung werden. Schüler sollen dort von der ersten bis zur letzten Klasse gemeinsam lernen, teilweise auch jahrgangsübergreifend, ergänzt durch Arbeitsgruppen, die sich an dem individuellen Förderbedarf orientieren.

 

Seit gut drei Jahren arbeitet der Diplompädagoge Dieter Asselhoven mit seinem Team von der Humanwissenschaftlichen Fakultät der Uni daran. »Alle, die als defizitär bezeichnet werden, wollen wir aufnehmen«, sagt Asselhoven. Behinderte oder sozial ausgegrenzte Schüler sollen neben Hochbegabten lernen, es werden alle Schulabschlüsse angeboten. Denn die Ergebnisse der Pisa-Studien haben bewiesen, dass heterogene Lerngruppen zu hoher Sozialkompetenz und zu besseren Ergebnissen bei allen Schülern beitragen. Wichtig ist den Initiatoren der Zugang für alle Kinder. »Wir wollen auf gar keinen Fall eine Privatschule sein!«, betont Asselhoven. So möchten die Pädagogen speziell auch die Eltern ansprechen, die ihre Kinder nicht von selbst anmelde. Sein Team wolle damit »gegen mögliche Abkopplungsprozesse im Viertel ankämpfen«, erklärt Asselhoven.

 

Auch die Bürgerinitiative ist zufrieden

 

Wer wollte dagegen sein? Zumal die Probleme, die mit einem Einkaufszentrum einhergingen, etwa Verkehrsbelastung und Konkurrenz für die Händler an der Venloer Straße, damit vom Tisch wären. Knapp 20.000 Quadratmeter benötigt man für die IUS. Auch Hanswerner Möllmann von der Bürgerinitiative Helios ist zufrieden, solange sich die Architektur der Schule nicht wie das geplante Einkaufszentrum gegen das Viertel abschottet und die Läden und Ateliers auf dem Gelände erhalten bleiben.

 

All das scheint jetzt in greifbare Nähe gerückt. Die Planung würde zusammen mit der Bonner Montag Stiftung erfolgen. Die ist unter anderem bei der Bildungslandschaft Altstadt-Nord am Klingelpützpark federführend, wo mehrere Schulen zusammengeführt werden. Nach dem Prinzip der offenen Schule sollen in Ehrenfeld Grünflächen, Theatersäle oder Sporteinrichtungen nach dem Unterricht oder in den Ferien gemeinsam mit den Bewohnern des Stadtteils benutzt werden.   

 

Lukratives Kompensationsgeschäft für Investoren?

 

Bloß, was werden die Investoren sagen? Die Stadt wird Paul Bauwens-Adenauer und Heinz-Hermann Göttsch ein attraktives Angebot machen müssen, um das Gelände ankaufen zu können. Kaum vorstellbar, dass dabei für die umtriebigen Unternehmer nicht ein lukratives Kompensationsgeschäft herausspringt. Die beiden sind schließlich nicht angetreten, um Bildungspolitik zu fördern, sondern Geld zu verdienen.

 

Die Bürgerbeteiligung beginnt wie geplant am 1. Dezember. Jetzt dürfte das Verfahren weitaus geräuschloser ablaufen, als die Verwaltung befürchtet hat. Ihr Kaninchen hat Agnes Klein jedenfalls sehr effektvoll und zum bestmöglichen Zeitpunkt aus dem Hut gezaubert. Es scheint, als ob die vormals aufgebrachten Bürger vor Staunen erstarrt sind.