Bad Guy – Good Girl

Die Aufregung um das angebliche Millionen-Loch im Etat der Bühnen ist pure Heuchelei und trägt Züge einer Kampagne, meint Hans-Christoph Zimmermann

Der Intendant der Kölner Oper, Uwe Eric Laufenberg, ist kein Gemütsmensch und immer für einen Aufreger gut. Das weiß auch die Kölner Presse, und so ist eine Provokation wie der Bericht über ein angebliches Fünf-Millionen-Euro-Loch bei den Bühnen,  den der Kölner Stadt-Anzeiger im September veröffentlichte, immer aussichtsreich. Schuld am Finanzdesaster ist natürlich Uwe Eric Laufenberg.

 

Das zeigte Wirkung: Das Kulturdezernat reagierte panisch und beraumte eine Pressekonferenz für den nächsten Tag an. Dort gab’s erst trockene Zahlen – die im Kölner Stadt-Anzeiger bis heute nicht zu lesen waren –, dann sang Laufenberg eine Empörungs-Arie samt Prozessandrohung. Schauspielhaus-Chefin Karin Beier übernahm, verkündete in schönstem Andante sostenuto den Verzicht auf ihre Inszenierung »Die Letzten« und hängte auf eine unflätige Frage einer Journalistin eine »Scheiße«-Koloratur dran. Ganz große Oper.

 

Die Zahlen besagen, dass für das China-Gastspiel der Oper,  die Zwangsabgabe an die freie Szene, Tarifsteigerungen und nicht freigegebene Mittel bei den Bühnen rund vier Millionen Euro aus den Rücklagen draufgingen. Dazu kamen noch höhere Kosten für die Interim-Spielstätten der Oper und die Stockhausen-Uraufführung »Sonntag aus Licht« während der Sanierung. Mal abgesehen von der Kampagnenstruktur der Vorwürfe, die Empörung darüber ist pure Heuchelei. Mit Ausnahme der letzten Posten haben Politik und Verwaltung die Ausgaben durchweg genehmigt und tragen deshalb eine Mitschuld.

 

Und wo blieb der Aufschrei des geschäftsführenden Direktors Patrick Wasserbauer? Laufenberg ist kein Chorknabe, aber die Forderung, er müsse seinen Etat einhalten, nachdem die Politik die Ausgaben genehmigt hat, ist mehr als fragwürdig. Apropos: Was ist denn mit dem Haushalt 2012 und dem Loch in dreistelliger Millionenhöhe? Wieso muss Laufenberg mit seinem Geld auskommen und die Bürger nicht? Die Anonymisierung und Sozialisierung von Kosten haben ihr Pendant in der Individualisierung der Schuld – ein gefährliches Prinzip.

 

Laufenbergs Gegenüber in dieser Kampagne, die nach dem Prinzip »Bad Guy – Good Girl« funktioniert, ist die unantastbar gewordene Schauspielchefin. Karin Beiers Geste des Verzichts war ein brillant inszeniertes Signal – nicht nach Köln, sondern nach Hamburg, dem zukünftigen Arbeitsgeber Beiers. Denn die hanseatischen Pfeffersäcke, die sich wider Willen eine Etaterhöhung fürs Hamburger Schauspielhaus von ihr abhandeln ließen, dürften sich nun über Beiers kaufmännisches Verantwortungsgefühl freuen. Was für ein Imagegewinn! dazu hat Beier durch den Verzicht auf eine Inszenierung noch Zeit für die Vorbereitung auf das neue Amt gewonnen.

 

In Köln greift das Jürgen-Flimm-Syndrom: Ähnlich wie bei dem Kölner Intendanten der Jahre 1979 bis 1985, ist die Heiligsprechung Karin Beiers in vollem Gang.