Konkurrenten, nicht Kommilitonen
Als um neun Uhr morgens das Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften öffnet, warten viele Studenten bereits seit eineinhalb Stunden. Sie wollen ganz vorne mit dabei sein, wenn es darum geht, sich auf die Listen der Erstsemesterkurse einzutragen. Wer jetzt erst kommt, muss sich hinten anstellen – über drei Stockwerke stehen sich die Studenten im Treppenhaus die Beine in den Bauch. »Wir konnten nicht alle Kurse über das Online-Portal KLIPS belegen«, sagt Medienmanagement-Studentin Hella Wilken. »Da werden neue Bekanntschaften schnell zu Konkurrenten.«
Kein Einzelfall. Die doppelten Abiturjahrgänge in Bayern und Niedersachen, die Aussetzung der Wehrpflicht und die Abschaffung der Studiengebühren in NRW gehen an der Kölner Universität nicht spurlos vorüber. Im Vergleich zum Vorjahr sind die Bewerberzahlen um rund zwanzig Prozent gestiegen. Mehr als 50.000 Abiturienten bewarben sich auf 6500 Erstsemesterplätze. Um den erwarteten Ansturm aufzufangen, hatte die Universität zum diesjährigen Wintersemester tausend zusätzliche Studienplätze eingerichtet.
Der große Andrang trieb den Numerus Clausus fast aller Fächer in die Höhe
Nicht genug. Tom Meier (Name geändert) zählt zu den Bewerbern, die keinen Platz ergattern konnten. »Ich wollte VWL studieren. Im letzten Jahr wäre das mit meinem Abi von 2,4 kein Problem gewesen.« Dieses Jahr reichte es für Tom Meier nicht einmal im Nachrückverfahren, der große Andrang trieb den Numerus Clausus fast aller Fächer in die Höhe. »Da habe ich mich dann an der Fresenius beworben«. Das Studium an einer privaten Universität wie der Hochschule Fresenius ist jedoch teuer. Nicht jeder kann sich das leisten.
Die Studierenden, die es geschafft haben, kämpfen mit anderen Problemen. »Die PC-Pools sind ständig überlaufen, von manchen Hörsälen ganz zu schweigen«, beschwert sich Lehramtsstudent Simon Fendler. Auch in den Mensen wird es eng. Dort soll gebaut werden. Ab 2013 möchte man einem höheren Bedarf gerecht werden können, erklärt Frank Leppi, Abteilungsleiter der Gastronomie beim Kölner Studentenwerk.
Verzweifelt gesucht: Studentenbuden
Noch länger als das Warten auf das Mittagessen dauert die Suche nach der Studentenbude. »Das Angebot des Kölner Studentenwerks umfasst etwa 4600 Wohnheimplätze« sagt Rolf Wahl, Abteilungsleiter für Studentisches Wohnen. Auf die jährlich rund 1500 frei werdenden Plätze kämen in diesem Semester jedoch etwa 9000 Anträge. Das Studentenwerk sei derzeit mit der Stadt über ein Grundstück am Eifelwall im Gespräch, das bis zu einhundert zusätzliche Wohnungen bieten könnte. Ein Tropfen auf den heißen Stein. Zumal Rolf Wahl die Umsetzung dieser Planungen bis zu den doppelten Abiturjahrgängen in NRW 2013 als äußerst unwahrscheinlich erachtet.
Zu allem Überfluss hat die Universität auch finanzielle Probleme. Durch den Wegfall der Studiengebühren zum diesjährigen Wintersemester hat sich nicht nur die Zahl der Bewerber erhöht, die Universität hat laut Pressesprecher Patrick Honecker ein jährliches Minus von rund drei Millionen Euro zu beklagen, trotz Kompensationszahlungen des Landes NRW.
8000 weitere Studienplätze bis 2016
Eine Hoffnung bleibt der Hochschulpakt 2020, der zusätzliche Investitionen von Bund und Ländern in den Ausbau von Studienmöglichkeiten vorsieht. So sollen an der Kölner Uni in den nächsten fünf Jahren 8000 weitere Studienplätze geschaffen werden. Voraussichtlich im Juni 2013 soll das Studierenden-Service-Center eröffnet werden. Hier sollen das Studierenden-Sekretariat, die zentrale Studienberatung und das Akademische Auslandsamt in einem Gebäude untergebracht werden. Außerdem werden dort Einrichtungen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie der Rechtswissenschaftlichen Fakultät zu finden sein.
Zu guter Letzt hoffen sowohl Studierende als auch Universitätsangestellte, dass bis 2013 die technischen Probleme rund um die neue Software zur Studienplatzvergabe behoben sind. Die bundesweite Koordination der Zu- und Absagen von Bewerbern und Hochschulen sollte ursprünglich bereits in diesem Jahr gewährleistet sein und für weniger freie Plätze in zulassungsbeschränkten Studiengängen und schnelle Entscheidungen im Bewerbungsverfahren sorgen.
Asta: »Super, dass so viele Leute die Möglichkeit haben zu studieren«
Das Bild einer Krise. Der Asta-Vorsitzende Jonas Thiele sagt: »Was an Studienbedingungen fehlt, ist je nach Studiengang ganz unterschiedlich. Lehrmaterialien, Räumlichkeiten, Personal – oder alles zusammen«. Trotzdem dürfe man die Situation an den Universitäten nicht einseitig betrachten, insbesondere in Hinblick auf den Erlass der Studiengebühren: «Es wird immer Panik gemacht, dabei ist es doch grundsätzlich super, dass so viele Leute die Möglichkeit haben zu studieren und das auch wollen.«