Schramma soll’s richten
Jetzt herrscht erst einmal Waffenstillstand im Streit um den Bau der Kölner Zentralmoschee – wenn auch ein fragiler. Nach heftiger Intervention des Moscheebau-Beirats erklärten Anfang November die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) und Architekt Paul Böhm »beiderseitige Gesprächsbereitschaft«. Derzeit lotet der frühere Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) als Moderator aus, ob und wenn ja, wie der größte muslimische Dachverband und der fristlos gekündigte Kölner Moschee-Architekt ihre Zusammenarbeit doch noch fortsetzen können. Ausgang ungewiss.
Es war ein Paukenschlag: Am 22. Oktober gab die Ditib bekannt, »die Notbremse zu ziehen und dem Architekturbüro Böhm mit sofortiger Wirkung zu kündigen«. Der Moscheebau-Beirat, bestehend aus zahlreichen Vertretern der Kölner Stadtgesellschaft, war vorher nicht kontaktiert worden. Auf einer turbulenten Pressekonferenz fünf Tage später begründete die Ditib ihr überraschendes Vorgehen mit gravierenden Mängeln am Bau, ausufernden Kosten und nicht eingehaltenen Terminvorgaben. »Als Künstler hat Herr Böhm brilliert, als Baumeister hat er leider versagt«, resümierte Ditib-Sprecherin Ayse Aydin.
Unterschiedliche Auffassungen zur Kostenexplosion
Die Gesamtkosten für die Moschee an der Venloer Straße betragen nach derzeitigem Stand 38,1 Millionen Euro. Ursprünglich war mit 28,7 Millionen Euro kalkuliert worden. Diese Summe hatte sich jedoch bereits zu Baubeginn 2009 als illusorisch erwiesen. Über die Gründe für die dramatische Kostensteigerung gehen die Auffassungen auseinander. Die Ditib macht Böhm dafür verantwortlich. Durch seine »unzulängliche Arbeitsweise« habe der Architekt »Mehrkosten und Verzögerungen beim Baufortschritt verursacht«. Der Angegriffene kontert, vor allem fortlaufende Sonderwünsche und geforderte Umplanungen der Ditib hätten zu den Mehrkosten geführt.
Als Beispiel nennt Böhm die Gestaltung der Moscheekuppel: Im ursprünglichen Entwurf bestand sie noch aus drei Schalen. Aber dann sei der Ditib aufgefallen, dies könne als Sinnbild für die »christliche Dreifaltigkeit« gedeutet werden. Aus den drei wurden deshalb vier Schalen. Aber diese Lösung verschlimmerte nur alles. Denn der Bau hatte bereits begonnen, da kam das Veto aus Ankara: Von oben betrachtet sähe es nunmehr so aus, als sei in die Kuppel ein Christogramm eingearbeitet worden, ein aus den griechischen Buchstaben XP bestehendes Symbol des Christentums. Erneut musste kostenträchtig umgeplant werden. Inzwischen besteht die Kuppel nur noch aus zwei Schalen. Die Kosten für die Umplanung würden zusätzlich honoriert, heißt es dazu in einem Schreiben der Ditib vom Oktober 2009, das die StadtRevue einsehen konnte.
Personeller Umbruch in der Ditib
Mehr als 2000 Baumängel hat ein von der Ditib beauftragter Gutachter aufgelistet, um die Kündigung Böhms zu rechtfertigen. Allerdings geht es bei dem Streit um mehr. Denn von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt gab es einen personellen Umbruch in der Ditib. Seit August amtiert ein neuer Vorstand. Auf den in die Türkei zurückberufenen Sadi Arslan folgte als neuer Vorstandsvorsitzender Ali Dere, Botschaftsrat der Türkei für religiöse Angelegenheiten. Auch die restliche Führungsmannschaft wurde beinahe komplett ausgetauscht. Damit begannen die Schwierigkeiten für Böhm. Der jetzige Vorstand hätte »völlig andere Vorstellungen – nicht nur ästhetisch, sondern auch politisch und ideologisch«, beklagt der Spross einer Kirchenbaumeister-Dynastie. Er spricht von »sehr starken Divergenzen vor allem über die Gestaltung der Fassaden und den Innenausbau«.
Die neuen Herren in der Ditib-Zentrale hätten es gerne osmanisch-traditionalistischer als geplant. So wollen sie statt der jetzt sandfarbenen Moschee eine weiße. So sei es auch vereinbart gewesen, behauptet Ditib. Doch das entspricht nicht den Tatsachen, wie ein von der StadtRevue eingesehenes Protokoll der »Besichtigung Musterflächen Betonierarbeiten« vom Januar 2010 belegt. »Nach ausgiebiger Diskussion«, ist darin zu lesen, hätten sich die Beteiligten – unter ihnen der alte Ditib-Vorsitzende Arslan als auch sein Nachfolger Dere – »in Farbgebung« für die »gelblicheren Betone« ausgesprochen.
Offenkundig sei mit neuen Ditib-Vorstand »die Zusammenarbeit, die früher möglich war, nicht mehr in dieser Form möglich«, glaubt die Kölner SPD-Politikerin Lale Akgün. Das Problem sei die fehlende Unabhängigkeit der Ditib, die über die staatliche Religionsbehörde Diyanet eng an die türkische Regierung in Ankara angebunden ist.
Ditib nur weisungsgebundene Filiale Ankaras?
Alle Beteiligten sind sich einig, dass die Moschee wie geplant bis Juni 2012 fertig sein soll. Ob das gelingt, hängt jetzt vor allem von der Kooperationsbereitschaft des neuen Ditib-Vorstands ab. Das grundlegende Problem der Ditib bleibt jedoch bestehen: Ist die mitgliederstärkste Migranten-Organisation in Deutschland bereit zur Transformation hinein in die bundesdeutsche Gesellschaft? Bleibt sie weisungsgebundene Filiale Ankaras, verliert sie ihre Existenzberechtigung. Denn dadurch behindert sie nicht nur die Integration, sondern ist vor allem auch kein zeitgemäßer Ort mehr für jene Muslime mit türkischer Zuwanderungsgeschichte, die eben längst weder »Gastarbeiter« noch »Ausländer« mehr sind. Ihr Bezugspunkt ist die Bundesrepublik und nicht mehr die Türkei.