Veritabler Renner
Es gab eine Zeit, da waren Konzerte dezidiert linker Bands vor allem von einem geprägt: dem Anblick kämpfender Männer. Da der Klassenfeind um derartige Veranstaltungen verständlicherweise einen Bogen machte, schlug man sich zum Geschrammel wechselnder Crust- und Hardcorebands einfach gegenseitig die Fressen ein. Nicht so Thorsten Burkhardt. Der ging lieber auf Technopartys ins Frankfurter Omen, verknüpfte Ravekultur, lustvolle Selbstzerstörung und linksradikale Politik zu seinem Bandprojekt Egotronic.
Das war vor zehn Jahren. Warum Egotronic aber solch eine Dynamik entfalteten, zum veritablen Renner wurden und elektronische Musik bis ins letzte autonome Zentrum verbreiteten, weiß Torsun, wie sich Burkhardt nennt, bis heute nicht. Die Qualität der Musik allein wird es sicher nicht gewesen sein, denn die bewegt sich irgendwo zwischen den Crookers, Slime und Scooter. Sorgen um die Grenzen des ästhetisch Vertretbaren macht sich der Sänger und Produzent allerdings nicht: »Ich kann ziemlich viel ertragen. Auch an schlechtem Geschmack. Ich mags zum Teil sogar richtig.« Auch das kürzlich erschienene fünfte Studioalbum »Macht keinen Lärm« schlingert auf dem schmalen Grat zwischen Selbstironie und pathetischem Fehlschlag. In der richtigen Dosierung werden die Stücke im Club zum physischen Er-eignis: wummernde Bässe, viel Schweiß, Feierwut.
Beachtlicher als die Musik ist dabei die Impulsivität, mit der Torsun die Band nicht nur auf der Bühne sondern insbesondere im Internet, nun ja, verkauft. Wer will, kann auf Facebook oder Torsuns Blog vermeintlich tiefe Einblicke in sein Privatleben nehmen. Zumeist geht es ums Feiern, die dazugehörigen Drogen oder Politik. Für ihn ist »Egotronic so ein typisches Web 2.0-Produkt. Ob das aber alles immer wahr ist, was auf meiner Facebook-Seite steht, steht auf einem anderen Blatt«. Um den Wahrheitsgehalt geht es eigentlich auch gar nicht, sondern um Selbstmystifizierung, um die Band als Gesamtkunstwerk. Dieses resultiert neben Musik und Exzess zu großen Teilen aus der politischen Positionierung der Band im linksradikalen bis antideutschen Spektrum.
»Aber« schränkt Torsun ein, »Egotronic ist für mich kein per se linkes Bandprojekt. Es geht lediglich in meinen Texten um Dinge, die mich beschäftigen.« Dabei kann man eines Egotronic in jedem Falle hoch anrechnen: mit randalierenden Männern im Publikum braucht man sich nur noch äußerst selten herumzuschlagen.