Mehr Region geht nicht: Ökomarkt am Rudolfplatz, Foto: Manfred Wegener

Bergheim liegt nicht in den Alpen

Immer mehr Verbraucher achten auf die regionale Herkunft ihrer Produkte. Etikettenschwindel und viele Gütesiegel aber verwirren beim Einkauf

Selten gab es so viele regionale Produkte im Supermarkt wie derzeit. Angesichts dioxinverseuchter Eier, mit Antibiotika versetzten Hühnerfleischs oder des Erregers Ehec hat sich bei vielen Skepsis gegenüber Lebensmitteln breit gemacht, die Unsicherheit wächst. Verständlich also, dass Lebensmittel aus der Region gefragter sind denn je. Das neue Einkaufsprinzip von mehr als 65 Prozent der Bevölkerung: Vertrauen in das, was man kennt. Das hat die Umfrage des Marktforschungsinstituts Forsa ergeben.

 

Regionale Gütesiegel sollen mehr Sicherheit geben sowie einwandfreie Qualität und die regionale Herkunft garantieren. Soweit die Theorie. Die Praxis sieht anders aus: Etliche Gütezeichen werden von Unternehmen in Eigenregie entwickelt, die Vermarktungsstrategien für Regionales befinden sich derzeit auf einem Höhepunkt. Und genau da liegt das Problem. Was ist die »Region«? Und wann ist ein Produkt wirklich »regional«? Eine einheitliche Definition gibt es nicht, der Interpretationsspielraum ist groß. Laut einer aktuellem Studie der Deutschen Lebensmittel Gesellschaft (DLG) ist das Verständnis »Region« sogar eine Frage der sozialen Schicht – je höher der Bildungsgrad, desto kleiner der geografische Radius von Region.

 

Die Herkunftsregelungen für importierte Lebensmittel sind in der Europäischen Union eindeutig festgelegt, für die Region gelten solche Vorgaben nicht. Bundesweit gibt es derzeit vierzehn Regio-Siegel, deren Vergabekriterien erheblich differieren. Da kann die Heimat eines oberbayerischen Produktes alpenländische Ausmaße nehmen. Andere Konzerne drücken geografisch schon mal beide Augen zu und verstehen Deutschlands Nachbarländer noch als regionale Ausläufer. 53 als regional vermarktete Produkte wurden von Öko-Test untersucht, lediglich vierzehn stammten tatsächlich aus dem direkten Umland.

 

Für den Otto Normalverbraucher eine komplexe Angelegenheit: Wo regionale Produkte ursprünglich hergestellt und verarbeitet wurden, ist für ihn kaum nachvollziehbar. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigners (CSU) neuestes Vorhaben – ein Gütezeichen, »das den Kunden als Orientierung dient und den Anbietern als freiwilliges Instrument zur Verfügung steht« – verspricht wenig konkrete Hilfe im großen Wirrwarr der Siegel. »Wo regional drauf steht, muss auch regional drin sein« – so Aigners Forderung. Nur auf dem Prinzip der freiwilligen Selbstkontrolle kann solch eine klare Ursprungsregelung mit unabhängigem Kontrollsystem allerdings nicht basieren, sonst ist sie von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine Placebo-Politik sei das, so NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne). Er will mehr Klarheit: »Der Verbraucherschutz muss Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen Einzelner haben. Ziel der Landesregierung ist es deshalb, Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken und mächtig zu machen.« Er fordert unter anderem ein regionales Gütesiegel für NRW. Dass er vorab den heimischen Absatzmarkt stärken und Strukturen für die regionale Vermarktung schaffen muss, ist ihm bewusst. Aber das wird dauern.

 

Wie es auch anders geht, zeigen die Rewe-Richrath-Supermärkte. Bereits vor fünf Jahren hat das Familienunternehmen mit elf Filialen im Kölner Raum regionale Produkte ins Sortiment aufgenommen, stetig die Zusammenarbeit mit Landwirten aus der Umgebung ausgebaut. Firmenintern gelten strenge Bestimmungen: »Wir aus der Region«-Produkte müssen in einem Radius von 60 Kilometern um die Zentrale in Bergheim angebaut werden. So viel freiwillige Selbstkontrolle ist derzeit selten. Diese Transparenz ist Peter Richrath wichtig, auch wenn sie manchmal zum Nachteil gerät. »Wir haben viel monokulturelle Landwirtschaft im Umland, aber wenig Milchwirtschaft in der Nähe, da wird so eine freiwillige Grenzziehung schon mal zum Problem.« Das Unternehmen hält aber an den eigenen Grundsätzen fest, denn die Produkte kommen bei vielen Kunden sehr gut an. Ein einheitliches Gütesiegel für Regionales sieht man bei Richrath kritisch, nicht zuletzt würde es die firmeninterne Zertifizierung wohl aufweichen.

 

Die Verantwortung in dieser Angelegenheit bleibt beim Verbraucher. Er muss für sich entscheiden, was er selbst unter regional versteht und ob er lieber auf dem Wochenmarkt oder im konventionellen Supermarkt auf die Suche geht. Klar ist, dass Produkte aus der nahen Umgebung im Supermarkt auch zukünftig nur selten vertreten sein werden. Daran werden regionale Gütezeichen wenig ändern.