Die eigene Nr. 1

Das Kölner Musik- und Popkulturmagazin Intro feiert seinen 20. Geburtstag

Die große Gemeinsamkeit des Herrenmagazins Matador, des Frauenmagazins Amica und des Interviewmagazins Galore ist, dass sie tot sind. Eingestellt aufgrund zu geringer Verkäufe. Dieses Schicksal kann das Musikmagazin Intro nicht ereilen, denn es wird nicht verkauft. Es ist gratis und das mit Erfolg seit zwanzig Jahren. Wer durch Köln streift und die guten Kinos, die besseren Bars und die besten Plattenläden aufsucht, kennt die Aufsteller, in denen das Blatt zum Zugreifen bereit liegt.

 

Am Neujahrstag 1992 erschien die erste Ausgabe in einer Auflage von 8.000 Stück. Adressiert wurde eine Leserschaft, die sich für das Musikgeschehen »außerhalb bekannter Normen und Klischees und der Glitzerwelt des Business« interessiert, wie es vor zwanzig Jahren im Editorial hieß. Gemeint waren Acts wie Swans, Mudhoney, Pixies, Blur, deren Platten  auf den folgenden Seiten besprochen wurden. Zwei Jahrzehnte später läuft Intro als »Magazin für Pop, Kultur, Kontrollverlust«, doch die Ausrichtung blieb unverändert: Nichtige Mainstream-Mucke, wie sie beispielsweise bei WDR2 oder SWR3 rotiert, findet nur in Ausnahmefällen den Weg ins Blatt. Lana del Rey ist so eine Ausnahme, die kapriziöse Künstlerin wird im Radio gespielt und ziert das Cover der Februar-Ausgabe.

 

Intro ist mit einer aktuellen Druckauflage von 124.763 Exemplaren nicht nur das reichweitenstärkste Musikmagazin im Lande, es hat auch mit den Jahren noch einige Geschwisterchen bekommen. Verleger Matthias Hörstmann hat viele weitere Gründungen, Beteiligungen und Zukäufe getätigt, so dass die Matthias Hörstmann Unternehmensgruppe, kurz HUG, heute zehn Unternehmen umfasst. Darunter das Melt-Festival, das Fußball-Magazin 11 Freunde, das Splash-Festival, Bolzen Bier, das Berlin-Festival, Event-Agenturen, das Turnschuhforum Sneaker Freaker und das Internet-Musikfernsehen putpat.tv. »Ohne diese Zukäufe gäbe es Intro in der jetzigen Form sicherlich auch, aber die Situation wär nicht ganz so optimal wie mit unserem breitaufgestellten Set-up«, erklärt Chefredakteur Thomas Venker Sinn und Nutzen des Firmengeflechts.

Wie sonst nur bei den Waltons hilft bei der Hörstmann-Family jeder jedem: Auf der Homepage von  Sneaker Freaker wird für Intro geworben, Intro bewirbt das Melt Festival und berichtet im Vorfeld und Anschluss darüber, dem 11 Freunde-Abonnenten wird mit Bolzen-Bier das passende Getränk zum Fußball angeboten. Wer je eine Proseminar-Arbeit über Synergien schreiben möchte, sollte ein Praktikum bei Mark Löscher machen, dem ehemaligen Head of Four Music & Columbia Berlin, der inzwischen zum  General Manager der Hörstmann Unternehmensgruppe aufgestiegen ist.

 

Auch Thomas Venker, der im neu ausgerichteten Unternehmen für Media Content zuständig ist, ist von der Synergie überzeugt: »Ziel ist es, die unterschiedlichen Firmen der Unternehmensgruppe zu einer in sich greifenden Einheit auszubauen.« Die Verzahnung  bringt schließlich auch Vorteile für die Beschäftigten: »Bis heute gab es keine betriebsbedingten Entlassungen im Unternehmen – was in Zeiten der Musikindustriekrise keine Selbstverständlichkeit ist, genauso wenig wie die Tatsache, dass alle Mitarbeiter sozialversicherungspflichtig angestellt sind.« In der Branche wird sonst gerne mit Projektverträgen und Pauschalisten gearbeitet. Als Venker bei Intro anfing, arbeiteten dort ungefähr zehn Mitarbeiter, inzwischen sind es in der Unternehmensgruppe fast hundert Beschäftigte.

 

Die an Intro angedockten Unternehmen sind verteilt auf die Städte Berlin, Chemnitz und Köln. An der Venloer Straße im 4711-Gebäude haben unter anderem putpat.tv,  Sneaker Freaker und auch Intro ihre Räume. Thomas Venker, der den Jan-Carl-Raspe-Schnäuzer zur Jarvis-Cocker-Brille als slickes Statement in die Musikredaktion trägt, stieß vor zwölf Jahren dazu. In Stutt-gart hatte er zuvor ein eigenes Fanzine gegründet: Harakiri. Dort erschien in einer Ausgabe eine, wie er sagt, sehr harsche Abrechnung mit der Musikindustrie, bei der auch Intro nicht gut weg gekommen sei. Layout, Schreibe, Haltung waren dort kritisiert worden, was dazu führte, dass Intro den Autor des Textes, Venker selbst, einlud und wenig später einstellte. Heute freut sich Venker auf die März-Ausgabe der Intro, es wird seine 125ste sein.

 

Die Leserschaft umfasst nach Venkers Beobachtung 16-jährige Musikentdecker, sehr viele Studenten und eine in Treue alternde 35plus-Gemeinde, und ist offensichtlich glücklich über das Hörstmannsche Gesamtpaket: Im Leserpoll 2011 behauptet das hauseigene Melt-Festival Platz 1 in der Rubrik »Bestes Festival«, Splash ist ebenfalls unter den Top 10. »Bestes Magazin« ist Intro, und 11 Freunde liegt vor Rolling Stone.

 

Nach dem geradezu biblischen Alters des Magazins ist die zweitgrößte Überraschung, dass Intro dem Sog nach Berlin nicht erlegen ist. Überraschend jedenfalls für Außenstehende, für die Macher weniger. »Ich empfinde das nicht so«, meint Venker, »wir sind ja in Berlin mit einigen Standbeinen der Unternehmensgruppe vertreten und haben da auch einen redaktionellen Ableger.« So wie Herausgeber Matthias Hörstmann in Köln ein Haus und in Berlin eine Wohnung hat, so hat auch sein Chefredakteur zwei Wohnsitze und reist ständig hin und her zwischen Ehrenfeld und Kreuzberg. Auch um zu feiern, denn  der 20. Geburtstag  des Magazins wird in beiden Städten gefeiert; am 2. März in Berlin und am 3. März im Kölner E-Werk. Auf den Bühnen stehen Freunde des Hauses wie Maximo Park, PeterLicht und Mouse on Mars.

 

Es soll nicht der letzte runde Geburtstag sein, denn mit der im letzten Jahr gestarteten Intro-iPad-App bleibt das Magazin auf Schlagdistanz zur medialen Zukunft. Pop, Kultur und Kontrollverlust sind auch online unter Kontrolle.