Weiße Spiegel

raum13 sucht im Deutzer Zentralwerk der Schönen Künste verbotene Substanzen

Fünf Glaselemente trennen die völlig weiße, tiefe Bühne wie eine Wand von den aufsteigenden Publikumsreihen, dahinter bewegen sich zwei pinke Farbflecken: Florian Lenz’ Pullover und Kathrin Wankelmuths Strumpfhose passen perfekt zu den Programmzetteln von raum13.

Der Schauspieler und die Tänzerin frisieren sich im imaginären Spiegelbild der Scheiben, als wäre das Publikum auf der anderen Seite gar nicht da. Mit einem Mikro nehmen sie auf, was man nur ganz leise hört –  Spieluhrmusik (Tschaikowskis »Schwanensee«), das Eingießen und Schäumen des Rosé-»Cham­pa­gners«, das Schieben von Kleiderhaken auf der Stange, leises Kichern. Der Sound, geloopt und übereinander gelegt, begleitet, wie sie sich fürs Ausgehen stylen. Zwei schöne Menschen in schönen Kleidern: »You’re lookin’ great. – I know.« Auch das geloopt, bis es bedeutungslos wird.

Beide schminken sich vor einer laufenden Kamera. Die Bilder werden auf eine den Bühnenhintergrund füllende Leinwand übertragen, jede Sekunde eine perfekt gestaltete Doppelseite in einem Lifestyle-Magazin. Wie hier Intimität und Entfernung zusammenkommen, bewirkt einen kalten Schwebeszustand, dessen perfekte Oberfläche misstrauisch machen muss.

Vor Vorstellungsbeginn und in der Pause versorgt eine Dame im Apothekerkittel das Publikum mit »Pillen«. »Drogen durchdringen heute nahezu alle Ebenen der Gesellschaft«, lautet die These des Regieteams Anja Kolacek und Marc Leßle. »Was ist, wenn vom Ich nur noch der Wirkstoff übrig bleibt?«, fragen sie. Die Figuren auf der Bühne öffnen einen Deckel, hinter dem ein verführeri­sches Kichern lauert. Immer öfter spielen sie Szenen wie den ewigen Fünf-Uhr-Tee aus »Alice im Wun­derland«, spielen mit dem Stehenbleiben der Zeit. Sie verwickeln sich im Gurt einer Kindertrommel, die Florian Lenz’ Figur am Ende wie ein batteriebetriebenes Elektro-Häschen vorführt. Die Bewegungen werden fragiler, innerlicher, wackeliger, die Kos­tüme dunkler, die Maske verschmiert, undurchdringlich.

»Substanzen« trifft das Drogen-Thema somit einerseits sehr gut, mit eher strukturell umgesetzten Motiven von Verführung, Lifestyle, Kälte und Leere. Andererseits ist diese Leere ein Problem: Der wenige Text ist eher platt. Die Figuren jammern, dass niemand sie nach ihrer Substanz fragt. Dabei sitzt vor ihnen ein Publikum, bereit, zu hören und zu sehen. Die Oberfläche der Perfektionsebene wird nicht hinterfragt, indem sie reflektiert würde. Tiefe kann somit nicht entstehen.