Kümmert sich um die schönen Dinge: Helga Blömer-Frerker | Foto: Manfred Wegener

Gorbatschow knapp verpasst

Helga Blömer-Frerker regiert mit schwarz-grünem Bündnis in Lindenthal

 

Eine Zahnärztin aus Bulgarien, ein IT-Experte aus Polen, eine ägyptische Köchin und der Web-Designer aus Südkorea. Im sechsten Stock des Lindenthaler Bezirksrathauses haben sie Platz genommen, um von Bezirksbürgermeisterin Helga Blömer-Frerker (CDU) eingebürgert zu werden. Es soll nicht pathetisch werden, aber auch nicht nüchtern und unbedeutend. Blömer-Frerker schlägt einen freundlichen Plauderton an, erzählt vom Grundgesetz, gibt eine Anekdote über Hoffmann von Fallersleben zum Besten.

 

Vor allem aber will sie wissen, was die vier am Tisch überhaupt nach Deutschland verschlagen hat. Kleine Geschichten: Liebe, Beruf, Familiengründung. Es ist ein bisschen herzergreifend jetzt. Blömer-Frerker kriegt die Kurve: schwärmt von ägyptischer Küche, will etwas vom Alltag in Korea erfahren, zitiert polnische Liedzeilen. Alle lachen herzlich, dann werden die Urkunden verteilt. Zum Schluss sollen alle noch einen Blick aus dem Fenster ihres Büros werfen: der Dom, der Fernsehturm. Vor allem aber Grün, viel Grün.

 

Lindenthal — »Ja, schön ist es hier«

 

Wer wollte nicht in Lindenthal leben? Die Mieten sind hoch, aber auch die Lebensqualität. Der Grüngürtel und die Straßen, die Alleen gleichen und von sanierten Altbauten gesäumt werden. Wenn man Blömer-Frerker darauf anspricht, freut sie sich, als habe man ihr ein Kompliment gemacht. »Ja, schön ist es hier«, sagt sie. »Es ist meine Aufgabe, dass das auch so bleibt.« 

 

Als sie in Bonn studiert habe, sei sie zum Tanzen nach Köln gefahren, »und ich dachte, was für eine hässliche Stadt«, sagt Blömer-Frerker. »Aber jetzt kenne ich auch die schönen Seiten.« Seit 1970 lebt sie in Köln, geboren wurde sie in Norddeutschland, in Dinklage, Kreis Vechta. Ein Dorf. Jeden Tag dreißig Kilometer mit dem Fahrrad zur Schule. 

 

Sie liebe Natur, sagt sie. Dafür führt sie seit 2009 ein schwarz-grünes Bündnis in der Bezirksvertretung. Man setzt sich für Grünflächen, Verkehrssicherheit und zurückhaltende Bebauung von Brachen ein. Die SPD tobt. Denn der Lindenthaler CDU-Ortsverband erscheint vielen als Hort des Klüngels. Blömer-Frerkers Ehemann, der langjährige Vorsitzende Richard Blömer, steht im Ruf, ein einflussreicher Strippenzieher zu sein. Er hat Anhänger und Gegner, auch in der eigenen Partei. Zwanzig Jahre war er Mitglied im Rat der Stadt, elf Jahre im Landtag.

 

»Tratsch und Klatsch mag ich nicht in der Politik«

 

Sie habe viele Politiker kennengelernt, sagt Blömer-Frerker. Norbert Burger, Harry Blum, John van Nes Ziegler, Fritz Schramma — für alle findet sie freundliche Worte. »Tratsch und Klatsch«, sagt sie, »mag ich nicht in der Politik.« Michail Gorbatschow, den hat sie knapp verpasst, als er sich 2002 in der Lindenthaler Uni-Klinik hat behandeln lassen. Sie hinterlegte noch ein Geschenk, doch der Ex-Sowjetpräsident war schon los. Er hat ihr einen Dankesbrief geschrieben, der hängt jetzt hinter Glas in ihrem Büro.

 

Daneben viel Kunst an den Wänden. Die ehemalige Realschullehrerin für Biologie und Englisch wollte sogar Kunst studieren. »Meine Mappe hatte ich schon fertig.« Im Bezirksrathaus hat sie eine Kunsthalle etabliert, sie erzählt von Gerd Baukhage, zeigt auf ein Bild von Curt Stenvert in ihrem Büro. 

 

Das Grün, die Kultur — es sind die schönen Dinge, um die sich Blömer-Frerker kümmert. Sozialpolitische Herausforderungen stellen sich kaum in Lindenthal. Hier leben Menschen, die gut verdienen, Familien mit Kindern, die Ballettunterricht nehmen und auch mal Zahnärztin oder IT-Fachmann werden.

 

»Wirtschaft und Umweltschutz schließen sich nicht aus.«

 

Trotzdem, es gibt auch Probleme. Die Bezirksbürgermeisterin ist bei ihrem Thema: den Großmarkt in Marsdorf verhindern! Denn der führe zu erheblichen Verkehrsbelastungen im Bezirk. Auch der Grüngürtel müsse erhalten werden, Neubauten der Sporthochschule lehnt sie ab. Zuletzt hat man gegen Baumfällungen protestiert.

 

Eine typische Not-in-my-back-yard-Haltung? Wirtschaftswachstum, Standortfaktoren verbessern, mehr Verkehr — aber nicht bei uns? Bei Blömer-Frerker liegt der Fall anders. »Die Kölner CDU wird vor allem als Wirtschaftspartei wahrgenommen, das ist schade«, sagt sie. »Wirtschaft und Umweltschutz schließen sich nicht aus.«

 

Dann erzählt sie von Herbert Gruhl, den sie in den 80er Jahren gehört habe. Der CDU-Politiker veröffentlichte 1975 sein Buch »Ein Planet wird geplündert«, in dem er die Wirtschaftspolitik kritisierte. Drei Jahre später kam es zum Bruch mit der CDU. So weit wird es bei Blömer-Frerker nicht kommen.

 

»Es muss auch darum gehen, die Schöpfung zu bewahren«

 

Ob ihr Faible für Umweltthemen mit ihrem katholischen Glauben zu tun habe? Blömer-Frerker überlegt. »Es muss in einer christlichen Partei auch darum gehen, die Schöpfung zu bewahren«, sagt sie. Und fällt sich dann selbst ins Wort: »O je, das klingt jetzt so pathetisch.« Und dann ist da wieder der freundliche Plauderton, wie bei der Einbürgerung.