Weltmeister unter sich: Andreas Stiene und Rolf Emmerich, Foto: Manfred Wegener

Der FC Bayern des schwulen Fußballs

Das Cream Team Cologne feiert Geburtstag

 

Es begann mit ein paar unauffälligen Handzetteln im Herbst 1992. »Fußball für Schwule? Ja, das gibt es!« stand darauf, darunter eine Telefonnummer. »Die haben wir damals in der Szene und den einschlägigen Kneipen verteilt«, erzählt Rolf Emmerich, einer der beiden Initiatoren. Eine aufregende Zeit war das, erinnert sich der 55-Jährige. »Damals fand gerade der erste kleine Straßen-CSD statt. Mit seinem Schwulsein nach draußen zu gehen, auch auf die Straße oder gar auf den Fußballplatz, war für mich eigentlich unvorstellbar.« Nicht nur für Emmerich. Als er das erste Mal beim Sportamt war und einen Trainingsplatz haben wollte, »da haben die mich angeschaut wie einen Außer­­irdischen.«

 

Dieser Tage feiert das erste schwule Kölner Fußballteam seinen 20. Geburtstag. In Zusam­menarbeit mit dem Centrum für Schwule Geschichte gibt es im Oktober die Ausstellung »Von Warmduschern und Weltmeistern« im Deutschen Sport- und Olympiamuseum. Vor allem über den Ort sind die Cream Team Macher glücklich. »Die Leute dort haben sofort signalisiert: ›Gute Sache, da sind wir dabei!‹ — Da war ich begeistert«, erzählt Andreas Stiene.

 

Von Beginn an ein emanzipatorisches Projekt

 

Der 47-Jährige war einer der ersten, die sich damals aufgrund der Handzettel meldeten. Der ehemalige Polizist war frisch nach Köln gezogen. Vorher hatte Stiene in seiner Heimat Essen Fußball gespielt, bis hinauf in die Landesliga. Seine Homosexualität hielt er vor seinen Mitspielern geheim. »Ich war bis dahin der festen Überzeugung, dass ich der einzige schwule Fußballer auf der ganzen Welt bin«, sagt ­Stiene. »Ich hatte selber diese Vorurteile und Klischees im Kopf.« Heute gehört er zu den wichtigsten Figuren in Kölns schwul-lesbischer Community. 1994 veranstalte er gemeinsam mit Emmerich das erste schwule Fußballturnier in Köln. 1995 rief er den Come-To­gether-Cup ins Leben, war einer der Mitgründer des schwulen FC-Fanclubs »Andersrum Rut-Wiess«, auch die Kampagne »Einer von elf ist schwul« des Fußballver­bandes Mittelrhein hat er mitor­ganisiert.

 

Das Cream-Team, bei dem von Anfang an zum Konzept gehörte, dass Schwule gemeinsam mit Heteros spielen, war von Beginn an ein emanzipatorisches Projekt. »Die Thematik Schwule und Profifußball interessiert natürlich die Medien. Aber der Amateurfußball ist in Wahrheit viel bedeutender für die Akzeptanz«, erklärt Stiene. So organisiert man in den 90er Jahren öffentlichkeitswirksame Spiele, unter anderem gegen eine Bundestagsauswahl, und immer wieder Partien gegen Hetero-Teams. »Ich habe das immer Entwicklungshilfe genannt. Gegen Langenfeld, oder Porz. Da kamen wir hin und wurden zu­­nächst ein bisschen wie Aussätzige angeschaut«, erzählt Emmerich. Seit 1998 nimmt das Cream-Team auch am Betrieb der Bunten Liga Köln teil. »Die haben uns von Anfang an fair aufgenommen«, lobt Emmerich.

 

Finalniederlage vor 4000 Zuschauern in Müngersdorf

 

Der Respekt hängt auch mit dem fußballerischen Können zusammen. Denn Emmerich und Co. wollen nicht nur politisch agieren, sondern spielen auch erfolgreich Fußball. Vor allem in der goldenen Ära der 90er Jahre. Ein Jahr nach dem ersten Spiel gegen den SSV Vorspiel Berlin wird das Cream Team 1994 erstmals Weltmeister. Während die Heteros in den USA versagen, triumphiert das Cream Team bei den Gay Games im Central Park in New York. Im selben Jahr wird auch der Europameister-Titel geholt, vier Jahre später verteidigen die Kölner in Amsterdam den WM-Titel.

 

»Wir waren in den 90er Jahren so ein bisschen der FC Bayern München des schwulen Fußballs«, erinnert sich Stiene. »Dafür wurden wir auch von Teams kritisiert, die gesagt haben: ‚Wir wollen uns unterscheiden von den Heteros, wir wollen nicht diese Leistungsorientierung«, erzählt Stiene. »Wir aber wollten auch das!« Umso mehr wurmte es, dass sie ausgerechnet bei der Heim-WM 2000 im Finale gegen den langjährigen Rivalen von Stonewall London unterlagen — beim bislang bestbesuchten Spiel ihrer Geschichte, vor 4000 Zuschauern in der Ostkampfbahn am Müngersdorfer Stadion.

 

Für Emmerich war das verlorene Finale das letzte Spiel seiner Karriere. Nach der WM in Köln 2000 beendete er seine aktive Karriere. Stiene hingegen verabschiedete sich nach den Gay Games 2010, ebenfalls in Köln. Das Cream-Team gibt es auch ohne die beiden. Die Notwendigkeit für eine schwule Fußballmannschaft ist immer noch gegeben, sagt Emmerich. »Erst, wenn es mal selbstverständlich ist, dass ein Schwuler sich bei einem Verein in der Eifel anmeldet und sagt: ›Ich bin der Soundso, ich bin schwul‹, dann hat sich wirklich etwas geändert. Aber bis dahin braucht es auch diesen geschützten Raum.«

 

Die Ausstellung »Von Warmduschern und Weltmeistern. 20 Jahre Cream Team Cologne - 20 Jahre schwuler Fußball in Köln« ist vom 13. Oktober bis zum 18. November im Deutschen Sport & Olympia Museum zu sehen