Camping mit Mike
Im Grunde genommen ist ein fünffacher Beinbruch Schuld an Mike Homanns politischer Karriere. Mit 14 Jahren passierte das, beim Fußball. Nach ein paar Jahren Pause begann Homann zwar wieder mit dem Kicken, merkte aber: »Wenn’s drauf ankommt, zieh’ ich weg.« Doch der Fußball war ihm zu wichtig, ganz aufhören keine Option. Statt selber zu kicken, wurde er Geschäftsführer beim VfR Sürth. »Und über die Sportfunktionärs-Schiene bin ich dann in die Politik gekommen.«
Der 37-Jährige sitzt in einem etwas schmucklosen Büro im Rodenkirchener Rathaus. Er trägt ein weißes Hemd mit sichtlichem Bauchansatz zur Jeans. Homann ist der dienstjüngste der Kölner Bezirksbürgermeister. Seit Anfang des Jahres ist er erster Mann in Rodenkirchen, nachdem sein Vorgänger Eberhard Petschel wegen Überlastung zurückgetreten war.
Es gab ein bisschen Aufregung um Homanns Wahl: SPD und Grüne wollten einen FDP-Mann als dritten Stellvertreter bestimmen, statt der sonst üblichen zwei. Damit wollte man die FDP als zukünftige Mehrheitsbeschafferin ins Boot holen. Die Verwaltung gab zunächst grünes Licht, beschied später nach Protesten der CDU jedoch, dass gegen das Kommunalwahlrecht verstoßen werde. Homann verteidigt die Aktion als pragmatische Maßnahme. »In den letzten Monaten hätte ich einen weiteren Vertreter schon ein paar Mal gut gebrauchen können«, sagt er.
Dass glaubt man ihm sofort, denn sein Alltag ist nicht arm an Verpflichtungen: Homann hat eine Anwaltskanzlei, ist zweiter Vorsitzender beim TV Rodenkirchen, hat zudem Frau und vier Kinder. Zwei eigene und zwei zur Pflege. Die Familie sei extrem wichtig, betont er immer wieder. Sonntag ist denn auch Familientag bei Homanns. Das sei schon ein Problem, sagt er, wenn er dann manchmal doch Termine habe und sich erklären müsse: »Meine Frau dann so: Schatz, ähm? Hallo? Familie?«
Wenn er erzählt, merkt man, dass Homann in seiner Jugend auch schauspielerte. Er erzählt nicht bloß. Er verstellt seine Stimme, schlüpft in Rollen, spricht mit den Händen. »Hmmmh«, kommentiert er mit kermithafter Intonation einen hanebüchenen Vorschlag der CDU-Fraktion, rollt mit den Augen und verzieht das Gesicht zur Grimasse. Es »haht« und »puht« und »whoat« in einem fort. Und er macht kleine Witzchen, die nicht notwendigerweise ins Schwarze treffen: »Ich bin Sternzeichen Krebs — aber ich sag’ ja immer ›Hummer‹«, grinst er und klopft sich auf seinen Bauchansatz. »Der Hummer ist schließlich ein bisschen größer als der Krebs.« Ein Hauch Bernd Stromberg liegt in diesen Momenten in der Luft.
Seit rund 15 Jahren ist Homann SPD-Mitglied. In der Bezirksvertretung (BV) Rodenkirchen reüssierte er vor siebeneinhalb Jahren, in den vergangenen zweieinhalb Jahren war er SPD-Fraktionsvorsitzender. »Ich habe mich immer gerne eingemischt. Erst war ich Klassensprecher, dann Schülersprecher. Klassisch.« Seine neue Aufgabe sieht er bescheiden: »Ich laufe jetzt jedenfalls nicht durch Rodenkirchen und denke mir: ›Haha, mein Stadtteil.‹«
Zwei Projekte liegen ihm, der mit 14 Jahren aus Duisburg-Rheinhausen hierher kam und den Kölner Süden als Heimat bezeichnet, besonders am Herzen. Neben einer Ausbildungsbörse vor allem das Jugendforum. »In den Bezirksvertretungen gibt es die Seniorenvertretungen. Die haben dort Rederecht. Aber wo ist das Rederecht der Jugend?« Demnächst wollen sie in Rodenkirchen ein Pilotprojekt mit einem Jugendforum in der BV starten. Homann ist hörbar stolz: »Da schauen jetzt alle zu uns, und wenn das funktioniert, wird das vielleicht auch stadtweit umgesetzt.«
Dass Homann aus einfachen Verhältnissen kommt — sein Opa war Bergmann, er ist erst der zweite Studierte in der Familie, wie er stolz erzählt — lässt sich an seinem Urlaubsziel ablesen. Da geht’s nicht an die spanische Küste oder in die Südsee, sondern ins Münsterland. Jedes Jahr. Homann ist passionierter Camper. Seit er fünf ist, fährt seine Familie auf ein und denselben Campingplatz. Hier ist er auch ein Stück weit groß geworden, hier hat er seine Frau kennen gelernt. Für Homann ein Sehnsuchtsort. »Da trage ich kein Hemd, immer nur T-Shirt und kaputte Schluppen. Beim Camping bin ich weder Bürgermeister, noch Funktionär im Verein, noch Rechtsanwalt. Da bin ich Mike.«