In Würde scheitern

Poetischer Realismus: Bombay Beach von Alma Har’el

Paradise Lost: In den 50ern war Bombay Beach am südkalifornischen Saltonsee ein Ort für Naherholungstouristen und Sportangler. Übermäßige Versalzung und Überschwemmungen führten zum Niedergang, heute halten Vorbeifahrende nur kurz an einer Handvoll alter Hütten und Wohnwagen, um die surreale Landschaft zu fotografieren.

 

Alma Har’el ist beim Dreh eines No-Budget-Musikvideos für die Indie-Band Beirut ausgestiegen und einige Monate geblieben. Ohne Produzent und Crew entstand ein Dokumentarfilm, der sich wenig um die engere Definition des Genres schert. Mit Hilfe von Archivbildern, Cinéma-vérité-Beobachtungen und inszenierten Tanzeinlagen porträtiert die aus Israel stammende Filmemacherin Anwohner des verlassenen Fleckens.

 

Das 16-jährige Football-Talent CeeJay verließ L.A., weil sein Cousin bei einem Bandenkrieg erschossen wurde und sein Vater ihm ein ähnliches Schicksal ersparen wollte. Dann ist da die Parrish-Familie — die Eltern saßen im Knast, weil sie die Langeweile der postapokalyptischen Einöde mit Kriegsspielen mit echtem Sprengstoff und Waffen vertreiben wollten. Inzwischen sitzen sie wieder daheim, Sorgenkind ist der siebenjährige Benny — hyperintelligent, hyperaktiv. Dass seine bipolare Störung mit immer höheren Dosen Psychopharmaka behandelt wird, mag symptomatisch für eine ganze Generation stehen. Doch Har’el zeigt auch, mit wie viel Fürsorge und Liebe diese Familie unter widrigsten Bedingungen zusammenhält. An ihren Protagonisten interessiert sie, welche Selbstbilder sie pflegen, um ihr desolates Leben in Würde führen zu können. Die strahlt niemand so aus wie der 85-jährige ehemalige Ölarbeiter Red, der aus dem Indianerreservat steuerfrei eingeführte Zigaretten verkauft.

 

In manchen Auslassungen ein Rassist, der sich gegen gemischte Ehen ausspricht, ist er doch ein faszinierend stoischer Erzähler, und man ist froh, als er nach einem Schlaganfall bald wieder aus dem Krankenhaus zurückkehrt. Solche vom Leben geprellten und doch um Haltung ringende Exzentriker und Vorstadt-Charismatiker erinnern an den ähnlich zwischen Dokumentation und Delirium schwankenden »Stroszek« von Wahlkalifornier Werner ­Herzog, dem die 36-jährige Filmemacherin im Abspann Dank zollt. Ihr gelingt eine Miniatur der amerikanischen Provinz — un­sicher darüber, ob diese längst von Gott verlassen oder doch gesegnet ist.