Vom Mühlendorf zum Problemviertel
1322
Stadtrechte
Das Mühlendorf Mülheim erhält 1322 Stadtrechte vom bergischen Landesherrn. Die Kölner zerstören die Befestigungen der ausländischen Ortschaft mindestens fünfmal. Erst 1856 wird Mülheim formal Stadt nach preußischem Recht.
1423
Emigranten
Mülheim ist Zuflucht für Kölner Juden, die 1423 die katholische Stadt verlassen müssen. Die Religionsfreiheit im Bergischen zieht auch viele Protestanten von Köln und ganz Europa nach Mülheim. 1714 siedeln zehn Kölner Großkaufleute nach Mülheim um. Es folgt der erste wirtschaftliche Aufschwung Mülheims.
1845
Industrialisierung
Nach dem Bau der Eisenbahn 1845 beginnt die Indus-trialisierung und Erweiterung Mülheims. Der größte Betrieb wird das 1874 gegründete Carlswerk, wo Drähte und Kabel produziert werden. Im Süden Mülheims siedelt sich Fahrzeugindustrie an.
1932 / 1933
Wahlen
Das Rechtsrheinische war das Gebiet der »Roten«. Das belegen Wahlergebnisse aus dem Mülheimer Norden. Bei der Reichstagswahl im November 1932 erhält die KPD 47,3, die SPD 28,6, das Zentrum 13,5 und die NSDAP 12,4 Prozent. Bei der Reichstagswahl im März 1933 — als bereits viele SPD- und KPD-Mitglieder in Haft oder im Exil waren — bekommt die KPD immer noch die meisten Stimmen.
1935
Widerstand
Am 1. Juli 1935 werden 14 WiderständlerInnen aus Mülheim sowie weitere 64 Männer und Frauen aus Köln vom Oberlandesgericht Hamm wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 163 Jahren Zuchthaus und 18 Jahren Gefängnis verurteilt.
1961
Obdachlosenselbsthilfe Hacketäuersiedlung
Nach dem Zweiten Weltkrieges finden sich Obdachlose aus allen zerstörten Stadtteilen in der Hacketäuer Kaserne wieder. Sie wird daraufhin bald als größter sozialer Brennpunkt Deutschlands bezeichnet. Anfang der 60er Jahre entwickelt sich dort die Obdachlosenselbsthilfe, eine der ersten Bürgerinitiativen in Deutschland.
1974
Mülheimer Selbsthilfe
Angefacht durch die Auseinandersetzungen um
die Obdachlosenselbsthilfe in Mülheim streiten studierende und praktizierende Sozialpädagogen mit Behörden und Vorgesetzten. Es geht um das Konzept der betreuenden Sozialarbeit. Entlassene Sozialarbeiter gründen daher 1974 die Mülheimer Selbsthilfe.
1979
Besetzung der Düsseldorfer Str. 74
1979 besetzen Mitglieder der Sozialistischen Selbsthilfe Köln (SSK) das Fabrikgelände an der Düsseldorfer Str. 74. Aktivitäten der SSK Mülheim, später Sozialistische Selbsthilfe Mülheim (SSM), tragen bei zu erfolgreichen Hausbesetzungen (Holweider Straße) bei und verhindern Spekulationsabrisse (Keupstraße).
1989
ZAK / Kulturbunker
Zwischen 1983 und 1985 gibt es für kurze Zeit ein Programmkino am Clevischen Ring. Nachdem es geschlossen wird, besetzt die SSM mit Aktivisten aus der Mülheimer Friedensgruppe ein leerstehendes Getränkelager an der Rixdorfer Straße. Sie betreiben darin ein Zentrum für Arbeit und Kultur (ZAK), das später geräumt und abgerissen wird. Der ehemalige Luftschutzbunker an der Berliner Straße wird 1989 besetzt. 1999 wird der Umbau zum jetzigen Kulturbunker abgeschlossen.
1995
IG Keupstraße
Die IG Keupstraße wird gegründet, um die Interessen der ansässigen deutschen Geschäfts- und Immobilienbesitzer zu vertreten. Mit den Jahren wandelt sie sich zum Sprachrohr der türkischen Geschäftsleute. Nach dem Nagelbombenanschlag der NSU am 9. Juni 2004 legt die IG dann einen weiteren Schwerpunkt darauf, die Bewohner vor Rassismus zu schützen.
1997 / 2002
Mülheimer Erklärung / Stadtteilgenossenschaft WIWAT
Um auf die Gestaltung des Mülheimer Güterbahnhofgeländes Einfluss zu nehmen, verfassen politische und soziale Gruppen 1997 eine »Mülheimer Erklärung«. 2002 gründen sie das »Institut für Neue Arbeit« (INA) sowie die Stadtteilgenossenschaft WIWAT. Die damit verbundenen stadtteilnahen Gestaltungspläne scheiterten bislang an Politik und Behörden.
»Mülheim, mon amour»
Lesen Sie auch die anderen Texte unseres Stadtteilporträts:
→ Der schlechte Ruf als Wahrzeichen
→ Desaster in Zeitlupe
→ Mülheim rules
Weitere Stadtteilporträts in der Stadtrevue:
→ Ehrenfeld (2010)
→ Kalk (2011)
→ Porz (2013)
→ Nippes (2014)
→ Chorweiler (2015)
→ Deutz (2016)
→ Ehrenfeld (2017)