Foto: Manfred Wegener

»Unvorhersehbares Ereignis«

Die schlechten Nachrichten über die Finanzlage der Stadt reißen nicht ab. Kämmerin Gabriele Klug gerät unter Druck, sozialverbände fürchten den Kahlschlag

Wer hauptberuflich Einsparungen verkünden muss, kann nicht beliebt sein. Schon gar nicht als Kämmerin einer finanziell angeschlagenen Kommune wie Köln. Gabriele Klug ist seit Ende 2010 in diesem Amt, die erste Grüne .Doch schon jetzt, nach zwei Jahren, fordern FDP und CDU ihren Rücktritt. Tatsächlich musste Klug seit Anfang des Jahres eine ganze Reihe schlechter Nachrichten verkünden.

 

Es begann im Februar. Da dräng­te Klug die Ratsfraktionen zu schnellstmöglichen Sparbeschlüssen, weil man sonst »mit allen daraus resultierenden Konsequenzen in das Nothaushaltsrecht abgleite.« Und das hieße, die Stadt würde ihre Finanzhoheit verlieren. Im Oktober verhängte Klug dann eine Haushaltssperre bis zum Jahresende, und OB Jürgen Roters (SPD) schickt 14.000 städtische Mitarbeiter nach Weihnachten für zwei Tage in Zwangsurlaub. Das klingt übereilt und panisch. Der Kölner Haushalt ein Trümmerhaufen?

 

Unklarheiten bei einem Trägerdarlehen der Stadtentwässerungsbetriebe

 

Dann kam Anfang November die Mitteilung der Kämmerei, dass aus den zurückliegenden sieben Jahren die Gewerbesteuereinnahmen eines Unternehmens in Höhe von 116 Mio. Euro zurückgezahlt werden müssen. Und zwar noch im laufenden Haushaltsjahr, denn monatlich fallen dafür 400.000 Euro Zinsen an — bislang gut 20 Mio. Euro. Allerdings liegt die Verantwor­tung dafür nicht bei Klug. Die Oppo­sition kritisiert aber, sie sei nicht recht­zeitig über dieses »un­­vor­her­sehbare Finanzereignis«, wie Klug es nennt, in Kenntnis gesetzt worden.

 

Und dann waren da noch die Unklarheiten bei einem Trägerdarlehen der Stadtentwässerungsbetriebe (StEB). Es gab Streit, wie dies ordnungsgemäß zu verbuchen sei. Klug sagt, nachdem die CDU die bisherige Handhabung in der Juni-Sitzung des Finanzausschusses bemängelte, habe sie sich nach Gesprächen mit dem Rechnungsprüfungsamt sogleich zu einer Korrektur entschlossen. Jörg Frank, finanzpolitischer Sprecher der Grünen, schützt Klug vor Angriffen: Es handele sich bei der Sache um eine »Ermessensangelegenheit«, zudem habe kein Prüfvermerk des Bezirksregierung jemals das bisherige Prozedere bemängelt. Die Entscheidung für den bisherigen Umgang mit dem StEB-Trägerdarlehens fiel übrigens in die Amtszeit des CDU-Kämmerer Peter-Michael Soénius. Der hatte es im April 2008 so beschlossen, als der Haushalt auf die doppelte Buchführung, das Neue kommunale Finanzmanagement (NKF), umgestellt wurde. Im NKF wurde es fortan so verbucht, wie es dann ausgerechnet die CDU im Juni kritisierte. Das Geld ist nach Klugs Korrektur auch nicht verloren, sondern fließt in das Eigenkapital der Stadt — für den laufenden Haushalt aber bedeutet dies dennoch eine Mehrbelastung von 70 Mio. Euro, ebenso für das kommende Jahr, und 2014 sind es noch mal 12 Mio. Euro.

 

Entscheidung über Kulturförderabgabe

 

In diesem Sperrfeuer der schlechten Nachrichten, sucht die Stadt nach neuen Einnahmequellen. Eine schien man mit der Kulturförderabgabe 2010 gefunden zu haben. Doch diese sogenannte Bettensteuer, die Hotelübernachtungen besteuert, ist juristisch umstritten. Ende November wird ein Grundsatzurteil dazu erwartet. Wird die Steuer gekippt, wovon viele Experten ausgehen, wird der Kölner Haushalt noch einmal belastet. Klug ist optimistisch. Die Kulturförderabgabe hat sie in ihre Planungen bereits eingerechnet. Karl-Jürgen Klipper, finanzpolitischer Sprecher der CDU, wittert Verstöße gegen das Haushaltsrecht, die FDP sagt, Klug verkaufe »Luftschlösser als Realität«.  

 

Trotzdem musste Klug jetzt mitteilen, dass im kommenden Jahr 102 Mio. Euro eingespart werden müssen, und 2014 dann noch mal 70 Mio. Euro. Dass sie sich danach in einen Kurzurlaub nach Taiwan verabschiedete, nahm ihr nicht nur die Opposition übel. Auch wenn die Kämmerin mit Parteikollegen in politischer Mission unterwegs war und für Köln geworben haben mag, sei dies eine Ungeschicklichkeit, sagen auch Parteifreunde. Es belege aber nicht »fehlendes handwerkliches Vermögen«, wie die Opposition behauptet.

 

»Wichtige soziale Projekte werden zur Disposition gestellt«

 

Nun wird gestritten, wo die 102 Mio. Euro für 2013 herkommen sollen. Ein erster Entwurf liegt vor. Karl-Jürgen Klipper von der CDU ist das zu wenig. Er fordert unter anderem die Reduzierung von Personal und städtischen Standards — wobei damit meist soziale Standards gemeint sind. »Wichtige soziale Projekte würden zur Disposition gestellt«, kritisiert hingegen Jörg Detjen, Fraktionsschef der Linken im Rat, die derzeitigen Pläne. »Als kleiner freier Träger der Jugendhilfe und der offenen Seniorenarbeit stehen wir zum wiederholten Male vor einem drohenden Sozialabbau in Köln«, sagt auch Gabriele Wahlen, Geschäftsführerin beim Ceno e.V. Zuschüsse für Freie Wohlfahrtsträger sollen von 750.000 auf 200.000 Euro reduziert und verbilligtes Mittagessen und Einschulungshilfen für Kinder aus einkommensschwachen Familien gestrichen werden, wenn sie Anspruch auf das Bildungs- und Teilhabepaket haben. Wer über 78.000 Euro brutto im Jahr verdient, soll monatlich 400 Euro Kita-Gebühren statt bislang höchstens 341 Euro zahlen.

 

Die Bürgerhäuser müssen insgesamt 1,1 Mio. Euro jährlich einsparen — was für einzelne Häuser das Aus bedeuten könnte. Auch der KölnTag, der jeden ersten Donnerstag im Monat freien Eintritt in Museen ermöglicht, fällt dem Rotstrich zum Opfer (360.000 Euro), und auf eine Sanierung des früheren Rautenstrauch-Joest-Museum will man verzichten, ebenso wie auf dringende Instandhaltung von Straßen und Brücken. Mehr Radarkontrollen und erhöhte Parkgebühren sollen Einnahmen in die Stadtkasse spülen. Eine langfristige Strategie ist beim vorgelegten Sparkonzept nicht erkennbar. Dabei war Gabriele Klug mit Schlagworten wie »Nachhaltigkeit« und »Wirkungsorientierung« angetreten.

 

Auf die Bewerbung zur Bundesgartenschau 2025 wird man wohl verzichten

 

Bei den Beratungen zum Haushalt 2013 werden jetzt auch Großprojekte geprüft. Der Streit darüber, welche noch zu verantworten sind, spaltet auch die rot-grüne Mehrheit im Rat. So stoppte die SPD gemeinsam mit der CDU einen vorzeitigen Betrieb der Nord-Süd-Stadtbahn zwischen Südstadt und Rodenkirchen. Für die Grünen gehört hingegen etwa der umstrittene Ausbau des Godorfer Hafens, der die Stadt rund 70 Mio.  Euro kosten würde, auf den Prüfstand. Die SPD hält weiter am Ausbau fest, ihr Verbündeter in diesem Fall ist die CDU, bei der sich die kritischen Stimmen allerdings mehren. Auch auf die Bewerbung zur Bundesgartenschau 2025 wird man wohl verzichten. Zwar ergäben sich dadurch neue städtebauliche Möglichkeiten, unter anderem die Vollendung des Grüngürtels, doch der SPD sind die zunächst anfallenden Kosten zu hoch. Ebenso wird der viel gelobte städtebauliche Masterplan nur mit wenigen Schwerpunkten umgesetzt.

 

Am 18. Dezember wird der Haushaltsplan in den Rat der Stadt eingebracht, dann beginnen die Beratungen der Fraktionen. Jörg Frank von den Grünen weiß allerdings: »Es ist noch kein Haushaltsplanentwurf so aus dem Rat rausgekommen, wie er eingebracht wurde.« Die Frage ist nur, ob es nachher schlimmer oder besser ist.