Alles auf eine Karte setzen!

Nachtisch - die Gastro-Kolumne

Es ist ein Fluch unserer Epoche: So viele Möglichkeiten, so wenig Übersicht. Und jede Entscheidung für etwas, ist eben zugleich eine gegen alles andere. Auch im Restaurant. Wer sagt uns, mit dem Hirschragout garantiert das beste aller möglichen Gerichte zu ordern? Lieber doch den Zander oder die vegetarische Pasta?

 

Wer am Tisch Platz ge--nommen hat, sieht sich bald überfordert. Wir sind getrieben von der Vorstellung eines Optimums. Das wahnwitzige Modul-System der Imbissketten und Salatbars hat sein Pendant in den über-bor-den-den Karten der besseren Restaurants. So ist das Studium der Karte vielmehr lästig, als dass es die Vorfreude steigerte. Fast alle Speisekarten sind zu um-fangreich! Man überreicht uns unansehnliche Konvo-lute, die in bürokratischer Manier eine viel zu große Auswahl bieten. 

 

Deshalb: Speckt endlich die Speisekarten ab! Setzt alles auf eine Karte! Weniger ist zwar keineswegs mehr, aber es kommt hier allen zugute: Die Gäste können sich in ihre Ge-spräche vertiefen, statt je-der für sich in den Karten zu blättern. Und in der Küche ließe sich gut planen, weil nicht alles immer vorrätig sein muss.

 

Das wäre mein Ideal: ein Lokal, dessen Kochkünsten wir blind vertrauten. Denn wer nach Genüssen strebt, aber Unvorhergesehenes und Überraschendes meidet, wird nur Routine zu kosten bekom-men: gefälligen Chardonnay, sättigende Pasta mit Sahne-soße oder öden Luxus. Im idealen Restaurant aber wäre die Karte klein, sie böte nur Tagesgerichte. Und selbst jemand, der sonst nicht gern, sagen wir, Zürcher Geschnetzeltes essen möchte, könnte es dort bestellen – und würde zufrieden. Wohlig könnten wir bekennen: Ja, ich esse, was auf den Tisch kommt, weil es hier immer gut ist. Denn es ist doch so: Wir brauchen im Restaurant nicht möglichst viel Auswahl, sondern beste Qualität und eine Küche, die uns zu überraschen vermag.