»Is so, ne.«
Auf der Bühne ist er einschüchternd. Raue Kerle passen zu dem 1,84-Meter-Mann mit der massigen Physis. Dass es dazu nicht mal seiner voll tönenden Stimme bedarf, zeigte Markus John in »Die Schmutzigen, die Hässlichen und die Gemeinen« am Schauspiel Köln. Der brutale Patriarch in Karin Beiers mehrfach ausgezeichneter, nahezu tonloser Container-Inszenierung war eine Paraderolle für den Schauspieler. Auf diesen Typ festlegen lassen will er sich aber nicht. »Wenn man etwas schwerer ist und die Haare länger hat, ist man so einer, der Fernsehrollen als Rocker und Türsteher angeboten bekommt«, sagt Markus John und seufzt. Zum Glück sei im Theater das Spektrum breiter, da könne er auch Könige oder charmante Immobilienmakler spielen.
Die Bühnenfigur, mit der John beim Kölner Publikum den vielleicht nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hat, passt allerdings voll ins grobe Schema. Als Foxi, der Bergisch Gladbacher Taxifahrer, Ex-Knacki und -Zuhälter, trug er in der »Kölner Affäre«, inszeniert vom lettischen Regisseur Alvis Hermanis, den typischen Schnorres eines rheinischen Sexsymbols und schwadronierte in saftigstem Kölsch. Dass Foxi dennoch kein wandelndes Klischee wurde, sondern Facetten und Tiefe bekam, lag an Johns darstellerischer Finesse und seiner ausführlichen Beschäftigung mit dem realen Vorbild. »Das war das Besondere an dieser Arbeit«, schwärmt er. »Sonst hat man einen Text und muss sich überlegen, wie man den gestaltet. Hier war die Gestaltung da, weil der Mensch schon da war. Dazu musste ich einen Text finden, der das konzentriert rüberbringt.«
Vier Jahre ist das her, doch Foxi ließ den Schauspieler nicht los. Gefunden hat er ihn selbst. Damals schickte Hermanis ihn und seine Kolleginnen in Köln auf Personensuche. Über Wochen haben sie Menschen begleitet und befragt solange bis aus den realen Biografien Theaterfiguren entstanden. So ging Markus John ein zweites Mal vor, diesmal auf eigene Faust für seine erste selbst konzipierte Uraufführung »Foxi, Jussuf, Edeltraud«. Wieder führte John Gespräche mit dem echten Foxi. Zudem suchte er nach zwei weiteren Menschen, um deren Lebensgeschichten auf die Bühne zu bringen. Er hörte sich im Bekanntenkreis um, merkte sich interessante Beschreibungen und fand Edeltraud und Jussuf. »Jemanden einfach auf der Straße ansprechen, das hätte mir nicht so gelegen«, meint John.
Überhaupt wirkt der 50-Jährige im Gespräch zurückhaltender und sanfter, als man ihm das von seinem Bühnenimage her zutrauen würde. »Mir geht es darum, dass die Persönlichkeit eines Menschen plötzlich zum Vorschein kommt und überraschend reich und liebenswürdig ist«, sagt er über seine drei Figuren und könnte auch von sich selbst sprechen, wenn er dazu nicht viel zu bescheiden wäre. Genauso uneitel beschreibt der gebürtige Duisburger seinen Werdegang. Nach dem Abitur sei er da irgendwie ganz schnell reingerutscht, als er neben dem Studium der Theaterwissenschaft nebenbei eine Bühnenausbildung absolvierte. »Und dann war ich mit 21 plötzlich Schauspieler.«
Einen anderen Berufswunsch habe er nie verspürt, auch wenn er im Nachhinein gar nicht mehr so genau sagen kann, wie der Funken übersprang. Als Jugendlicher war er dank des Abos der Eltern und mit der Schule oft im Theater. »Es sieht so aus, als hätte ich es unbewusst zielstrebig darauf angelegt, auch dahin zu kommen«, überlegt John.
Heute führt er quasi eine Theaterehe, steht mit seiner Frau, der Schauspielerin Ute Hannig, häufig gemeinsam auf der Bühne und besucht mit seinen drei Töchtern Aufführungen für Kinder. Die Älteste ist zwölf. Was wäre, wenn sie in seine Fußstapfen treten wollte? Markus John atmet tief durch und lacht. Jeder müsse machen können, was er will. Man dürfe ihm keine Steine in den Weg legen. Dann zögert er. »Andererseits weiß ich, wie problematisch es sein kann, einigermaßen erfolgreich zu sein, länger in diesem Job zu bleiben und nicht frustriert zu werden.« Er selbst liebt den Beruf und hegt keine Ambitionen, etwa selbst zu inszenieren. Als Schauspieler hat er einen Regiestil zu schätzen gelernt, der nicht auf Abrufbares, Wiederholbares zielt, sondern auf immer wieder neu zu Erlebendes: »Diese Betonung einer schauspielerischen Wachheit und Freiheit, das ist sehr inspirierend.« Wie bei Jürgen Gosch, mit dem John 2006 im Schimmelpfennig-Stück »Die Frau von früher« zusammenarbeitete.
Das Tolle an seinem Beruf und an seinen 15 Jahren unter verschiedenen Intendanzen und Regisseuren am Schauspiel Köln seien eben nicht nur die wechselnden Rollen, sondern auch die unterschiedlichen Theaterstile, mit denen er sich auseinandersetzen musste. Seit 2009 ist Markus John fest am Hamburger Schauspielhaus, doch Köln, so betont er, sei seine wichtigste Theaterstation gewesen. Ist »Foxi, Jussuf, Edeltraud« also so etwas wie ein Abschiedsgeschenk? »Das würde mich doch sehr betrüben«, meint Markus John. »Wenn die Chemie stimmt, macht es letztlich keinen Unterschied, ob man Rollen als Gast oder Ensemblemitglied annimmt.« Bleibt zu hoffen, dass die Chemie in Köln noch lange stimmt.