Bernd Wilberg

Bio: ungenügend

Nachtisch - die Gastro-Kolumne

Gastwirte wollen uns mit Speisekarten den Mund wässern. Doch längst sind an die Stelle marktschreierischer Annoncierungen Bio-Zertifikate getreten. Wir sollen glauben: Bio-Tafelspitz! Der muss einfach köstlich sein!

 

Die Erfahrung im Restaurant lehrt freilich, dass kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Bio-Produkten und Genuss besteht. Es verhält sich so, wie mit den schwülstig formulierten Speisekarten alten Stils: Sie mögen den Appetit anregen, doch entscheidend ist die Wirklichkeit auf den Tellern. Wenn ich trotz höchster Konzentration nicht bemerken kann, dass das Bio-Rindfleisch einmal hochwertig war, stattdessen bloß , wie zäh es jetzt ist, dann tritt zur Enttäuschung noch die Verärgerung über das Wortgeklingel mit bio, öko und regional.

 

Doch eine diffuse Öko-Gläubigkeit vernebelt uns oft die Sinne. So wie unsere Sympathie mitunter Geschmacklosigkeiten hinnimmt (ja, das Risotto war fürchterlich, aber die Bedienung so nett), scheint man uns einen Bio-Reflex antrainiert zu haben: Es kann nur gut schmecken, denn es ist bio.

 

Mehrfach habe ich erlebt, dass ich mich nach einem Cappuccino fühlte, als hätte ich einen benutzten Aschenbecher mit Schaum ausgeschleckt. Aber die Bedienung meint, das könne unmög­­lich stimmen. Und ­warum nicht? Weil die Kaffeebohnen bio sind! Weil die Maschine ein Vermögen gekostet hat! Schauen Sie: alles Edelstahl! — Allein, ein talentloser Geiger wird selbst die schönsten Streichquartette verhunzen, selbst wenn er auf einer Stradivari fideln darf.  

 

Was für den Kaffee gilt, gilt umso mehr fürs Essen. Ökologisch korrekte Zutaten sind die eine Sache, deren korrekte Zubereitung eine andere. Und dass nicht alles ein Bio-Zertifikat tragen muss, um höchste Qualität zu bieten, zeigen die besten Käse und Weine. Deren Hersteller vertrauen auf den Geschmack. Das ist übrigens das Wundervolle an gutem Käse und Wein: Gastronomen können sie zu zwar zu teuer auftischen, aber sie müssen schon mutwillig sein, um deren Qualität zu ruinieren. Bei Bio-Fleisch reicht dazu ein unaufmerksamer Koch.