That´s a performance
Andrea Fraser ist eine Konzeptkünstlerin. Konzeptkunst ist ein kunsthistorischer Begriff der 60er und 70er Jahre, der heute als Schlagwort dienen kann, um neuere künstlerische Praktiken griffiger zu machen. Sprechen wir von Andrea Fraser, reden wir von Konzeptualismus als Stil, als Haltung, die das ganze Leben bestimmt.
»Ich bin in einer Hippiefamilie groß geworden und meine Mutter hatte ihr Coming Out als Lesbe. Dazwischen zu sein, weder Insider noch Outsider, ist eine mir vertraute Position. Weder konnte ich Teil der Gay Community sein, denn ich bin straight, noch konnte ich eindeutig zur puertoricanischen Fraktion gezählt werden. In meiner Kindheit, in den späten 60er und frühen 70er Jahren in Kalifornien, Los Angeles, hatte diese Position auch eine politische und ethische Dimension.«
Glamour und Konzept
Ein Künstler wie sie ist 24 Stunden täglich im Einsatz. Andrea Fraser wirkt exponierter als ihre KünstlerkollegInnen, die das System Kunst an sich nicht thematisieren. Sie ist es umso mehr, wenn sie in Performances auf den eigenen Körper vertrauen muss. Konzeptkunst, das kann heutzutage auch Glamour heißen damit tut man Andrea Fraser sicher keinen Gefallen, trotzdem: Ihr Auftritt als Kippenberger-Double in der Performance »Kunst muß hängen«, am letzten Juniwochenende in der Kölner Galerie Christian Nagel, hatte etwas Glamouröses. Nicht, weil Frauen in Anzügen sofort wie Marlene Dietrich aussehen, sondern weil man hier, in der Performance, wie dort im Lifestyle, den Mut liebt sich auszustellen. Körperlicher Einsatz ist immer begrüßenswert, er schafft eine ehrliche Atmosphäre und eindeutige Orientierung: Da steht der Künstler. Verstehen muss man dann konzeptuelle Performance-Kunst noch lange nicht.
Zu Beginn der 90er Jahre war der institutionelle Rahmen der Kunstszene Museen, Galerien die Arena der Untersuchungen von Andrea Fraser. In »Museum Highlights« führte sie Gruppen von BesucherInnen durch die bürgerlichen Festungen des guten Geschmacks und baute strategisch Missverständnisse ein. Mrs. Fraser ganz höflich, freundlich, offen: »The New Museum started its docent program because, well, ah, to tell you the truth, because all museums have one. It\\\\\\\\\\\\\\\'s one of those things that makes a museum a museum.« Wie bitte? Bevor überhaupt Kunst betrachtet wurde, führte sie ihre Besucher in den Museumsbuchshop und wies auf das Sicherheitssystem hin. Es konnte den BesucherInnen passieren, dass Andrea Fraser ihnen das Schild für die Frauentoilette in einer schlüssigen Interpretation näher brachte als gelungene Abstraktion, die in einer direkten Genealogie von der Venus von Willendorf bis zu den Arbeiten von William de Kooning stehen sollte es ist nicht immer leicht, für keinen von uns, die Tür, die zu bekannten Orten führt, von der besonderen Tür, die in ein künstlerisches Erlebnis mündet, zu unterscheiden. Schmutz in der Beuys-Badewanne? Weg damit! Das Problem ist dem Rheinländer bereits begegnet.
Der Künstler als Kritiker
Das Sinnvolle des Systems, so zeigte Andrea Fraser wenn sie in ihrer Kunst die impliziten Regeln der Kunstwelt transparent machte, ist nur sinnvoll in Bezug auf das eigene System. Der Künstler als Kritiker muss eine Distanz zur Kunstwelt entwickeln, während er drinsteckt. Und nur wenn man genügend Respekt vor den Anderen besitzt, kommt man nicht in Gefahr, die KünstlerkollegInnen in ihrer Arbeit zu denunzieren. Im Falle Kippenbergers hätte man eine genderkritische Auskunft über männlichen Chauvinismus erwarten können. Statt dessen fasst die Amerikanerin mit dem konzeptuellen Blick für das Essenzielle seinen Einfluss zusammen im schönen Begriff der Generosität.
SR: »Du bist eine hart arbeitende Frau.«
Fraser: »Dabei habe ich mir einige Jahre frei genommen. Ich habe früh angefangen, die High School mit 15 verlassen, ging nach New York und begann mit 16 an der Art School zu studieren. Mit 18 habe ich das Whitney-Programm gemacht und seitdem intensiv gearbeitet bis 1993. Zwischen 1993 und 1998 habe ich vor allem geschrieben und unterrichtet. Die akademische Welt ist gar nicht so anders strukturiert als der Kunstmarkt.«
SR: »Aber ihr fehlen jedwede öffentliche Effekte, so dass es in Europa den Anschein hatte, du seist von der Bildfläche verschwunden. Und jetzt: Come back Andrea Fraser.«
Come back: »Kunst muß hängen« war Andrea Frasers erster Auftritt in der Galerie Nagel in Köln seit 1990. Ihre Ausstellung und Performance wurde in der ehemaligen Heimatstadt Martin Kippenbergers als eine Hommage an den 1997 verstorbenen Künstler verstanden. Vor zehn Jahren, als Andrea Fraser ihre letzte Ausstellung bei Christian Nagel hatte, erwarb Kippenberger eine ihrer Arbeiten und hängte sie in die Paris Bar von Michael Würthle in Berlin. Nur fielen die handtellergroßen Aluminiumsmileys immer wieder von der Wand. Tipp des großen männlichen Kollegen: »Kunst muß hängen«. Tat ihre Arbeit selten. Dass sie mit ihrer aktuellen Ausstellung bei Nagel dem Kippenberger-Rat gefolgt ist Andrea Fraser zeigt in ihrer Ausstellung neben der Projektion ihrer Performance auch äußerst dezente minimalistische Tafelbilder kann als eine Hommage an den großen Kommunikator Kippenberger verstanden werden. Übrigens: Malerei?
»Ich liebe minimalistische Malerei. Barnet Newman makes me cry. Robert Ryman, Blinky Palermo. That\\\\\\\\\\\\\\\'s a performance: etwas so reduziert machen und dann sagen: okay, es ist fertig.«
»Wo ist das Problem?«
»Das Problem ist, zu wissen, was man will.«
Vage philosophisch bis offen blöde
Andrea Frasers Auftritt war eine Hommage, blickte man sich im Publikum der Performance um: Bekannte Gesichter, Künstlerkollegen von damals, Galeristen, Sammler, Freunde die sich prachtvoll amüsierten bei der Performance. Andrea Fraser hielt noch einmal eine Tischrede von Martin Kippenberger, die dieser anlässlich der Eröffnung einer Ausstellung von Michael Würthle gehalten hatte: schwarzer Anzug, weißes Hemd, das Glas in der Hand, jeder ernsthaften Aussage ein Witz gefolgt, Artistik von Sinn und Sinnen, von vage philosophisch bis offen blöde. Kippenberger-Humor trifft auf Andrea Frasers »funny brand of performance art«, wie David Rimanelli es in einem Artforum-Aufsatz von 1991 geschrieben hat. Sie wirkt so streng und tough und gibt nicht selber das Zeichen zum Lachen, daran wird\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\'s liegen, dass das Komische in Andrea Frasers Arbeit hier in Europa noch viel zu wenig gewürdigt wurde. Sie ist umwerfend komisch. Und absolut in ihrem Anspruch. Sie memoriert, Wochen um Wochen, Monate um Monate, einen Text in einer fremden Sprache, in dieser ausgesuchten Sprache, in der Kippenberger seine Gedankenblitze formulierte, je unzusammenhängender und andeutungsvoller, desto grandioser. Die Rede wird ihr ständiger Begleiter. Jetzt ist der Begleiter weg. Fehlt jetzt etwas, Andrea?
»Wenn ich ein Projekt beendet habe, gibt es immer das Gefühl des Verlustes. Ich unterwerfe mich in meiner Arbeit einer gewissen Form von Disziplin, die sehr spezifisch, sehr genau und fordernd ist.«
Andrea Fraser ist sicherlich nicht der Prototyp des nomadischen Künstlers, ein Reisecharakter wie Rirkrit Tiravanija, der durch die Welt tourt. Wenn sie reist, bewegt sie sich von einem sozialen Kontext in einen anderen. Um was zu tun?
Ihr aktuelles Projekt, dass sie die letzten Monate Jahre? beschäftigt hat, forderte ihr äußerste Disziplin ab. Andrea Fraser lernte eine Sambatänzerin zu sein. Der gelinde Schock für den Autor, Mrs. Fraser im letzten Karneval in Rio mit ihrer Sambaschule zu sehen: die ehemalige Museumsführerin mit Dutt und Hornbrille nun mit Federboa, Bikinikostüm und High Heels auf der berühmten Sambastraße an der Copacabana, das war für ihn einer der wertvollen Momente, in denen Kunst sich als hellsichtiger erweist als das blinde Leben, dass sich immer wieder nur Dasselbe vorstellen kann. Es lässt sich ihm seitdem nicht mehr ausreden, dass Konzeptkunst die Vorbedingung ist, erfolgreich im Leben die Hüften zu schwingen. Darum geht\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\\'s nämlich.
Ausstellung/Projektion der Performance bei Galerie Christian Nagel, Richard Wagner-Str. 28, di-fr 11-18, sa 11-16 Uhr u.n.V., bis 15.8.