Auf der Suche nach »Mr. Right«
Ist Monogamie die neue Religion, oder ist sie längst ausgestorben? Ist es besser, jemanden zu heiraten, der dich mehr liebt als du ihn? Muss man sich selbst aufgeben, wenn man ein Kind bekommt? Diese und viele andere Fragen stellt Carrie Bradshaw sich und ihren New Yorker Freundinnen in der amerikanischen Fernsehserie »Sex and the City«, deren Fangemeinde auch hier zu Lande inzwischen beachtlich ist. Dabei sollte der reißerische Titel nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in dieser Serie ganz überwiegend um so kreuzbrave Fragen wie die anfangs genannten geht. Oder auf den einen, immer gleichen Punkt gebracht, auf den sich die Protagonistinnen mal mehr, mal weniger zielsicher zubewegen: Wie schaffe ich es als Frau um die Mitte 30, endlich den Richtigen zu finden? Dass dabei tatsächlich offen und oft sehr witzig über Sex geredet – und eben nicht nur geredet – wird, ist zwar erfreulich, ändert aber nichts am konservativen Geschlechtermodell, das dieser Serie zu Grunde liegt. So wird die Frage, ob Frauen Sex wie Männer haben können, also ohne Gefühle, letztlich verneint – und damit ein hartnäckiges Klischee sowohl über Männer als auch Frauen gleich doppelt bedient – und eine Beziehung beendet, weil der Mann nicht bereit oder in der Lage ist, seiner Freundin zu versichern, dass sie für immer die Einzige in seinem Leben sein wird.
Was hinter allen Ambitionen steckt
Serien wie »Sex and the City« oder auch »Ally McBeal« haben in der gegenwärtigen Populärkulturlandschaft gleich mehrere wichtige Funktionen, allen voran markieren sie die Bedürfnislage einer nicht mehr ganz jungen urbanen Elite. So zeigen beide Serien attraktive, erfolgreiche und konsumorientierte, aber eben bedauerlicherweise allein lebende Frauen in den Großstädten Nordamerikas, die bei allen professionellen Ambitionen eigentlich immer nur besagtes singuläres Interesse verfolgen, »Mr. Right« zu ehelichen.
World Trade Center als Halskette
Warum diese Serien sich auch auf dem europäischen Markt so gut verkaufen, liegt dabei auf der Hand: Sie zeigen die amerikanische Gesellschaft in jeder Hinsicht von ihrer besten Seite, also weiblich, attraktiv, erfolgreich und vor allem – verfügbar. Die derzeitig unübersehbare Rezession wird so wenig erwähnt wie andere, real existierende Desaster – letztere höchstens als subtiles Memento, etwa als Ally McBeal zum Abschied von ihrem Freund und Kollegen John Cage eine Halskette mit dem Motiv des World Trade Centers geschenkt bekommt. Gern wird Offenheit gegenüber so genannten alternativen Lebensentwürfen demonstriert, sodass in diesen Serien der beste schwule Freund ebenso wenig fehlen darf wie das gelegentliche Liebäugeln mit eigenen homoerotischen Abenteuern.
Ausgedörrter Single
Was diese Serien – besonders aus feministischer Perspektive – allerdings oft geradezu schmerzhaft macht, ist die neurotische Verletzlichkeit der weiblichen Hauptfiguren. Und hier scheint auch die Crux der »Working Single Girl«-Serien zu liegen, die paradoxerweise auch ihr Erfolgsrezept ist: Ja, es ist gut zu sehen, dass Frauen heute zumindest in einigen, privilegierten Gesellschaften mehr und bessere Möglichkeiten haben, berufliche und private Ambitionen miteinander zu verbinden. Aber die Kosten der neuen Freiheit sind offensichtlich: Stets führen die Drehbücher in ein urbanes Dickicht der Unsicherheiten, sozialen Fauxpas und der drohenden Vereinsamung, in dem sich die weiblichen Hauptfiguren in jeder Folge aufs Neue zu verirren scheinen. Und als ob nur so Licht ins Dunkel zu bringen wäre, dient durchweg das unbekannte Wesen Mann als eigentlicher und zugleich traditioneller Fluchtpunkt weiblichen Begehrens – allerdings ohne dass dieses Ziel jemals wirklich erreicht werden könnte. So wirkt Ally von Staffel zu Staffel depressiver und ausgedörrter angesichts ihres fortgesetzten Singledaseins, was bezeichnenderweise nur vorübergehend durch ihr jüngstes love interest Larry Paul gemildert werden kann.
Vieles nicht mehr denkbar, aber nichts selbstverständlich
Immer wieder liefern Carrie & Co. in »Sex and the City« den populärphilosophischen Beweis, dass jeder Zugewinn an persönlicher Freiheit mit einem Verlust an Sicherheit bezahlt wird. Damit bleibt die Serie hinter den tatsächlichen gesellschaftlichen Entwicklungen zurück. Denn viele Frauen haben inzwischen gottseidank rosigere Aussichten, als zwar im Beruf erfolgreich zu sein, insgeheim aber immer den Absprung ins privat-familiäre Glück im sehnsüchtigen Blick zu behalten – wie dies bei Ally & Co. der Fall ist. Frauen wie Ally McBeal, Carrie Bradshaw oder auch Bridget Jones verkörpern vor allem das kollektive schlechte Gewissen und die große Angst zu versagen einer Generation von Frauen, die es in vielen Dingen leichter hat als ihre Mütter. Eine Generation für die vieles nicht mehr denkbar, aber auch noch nichts selbstverständlich ist, und die genau damit ganz offensichtlich ein Problem hat.
Die Angst, zur Femme Fatale zu werden
In »Bridget Jones« (2001) ist die Angst immer spürbar, wenn auch gut kaschiert hinter amüsanten Dialogen und der ausgeprägten Selbstironie der Hauptfigur. So befürchtet Bridget, als sie wieder einmal die Defizite ihres Single-Lebens beklagt, sich allmählich in Glenn Close, die mörderische Femme Fatale in »Fatal Attraction« zu verwandeln – eine Sorge, die später im Film noch verstärkt wird, als sie die berüchtigte Schlussszene des Thrillers gebannt im Fernsehen verfolgt, in der die von Glenn Close gespielte Figur von der betrogenen Ehefrau in der Badewanne erschossen wird – so viel zur Verteidigung des Monogamieprinzips! Nicht zufällig wird hier der Film zitiert, der 1987 vielleicht am brutalsten die Figur der »Working Single Woman« ans Licht der Öffentlichkeit befördert und damit eine heftige Debatte um das Thema ausgelöst hat.
Wenn die Falle zuschnappt
Das gerade von Feministinnen wie Susan Faludi kritisierte Backlash-Phänomen, für das dieser Film beispielhaft ist, indem er Karrierefrauen zu tendenziell mörderischen Triebwesen degradiert, deren biologische Uhr einer Zeitbombe gleicht, ist zumindest ansatzweise auch in den jüngeren »Working Single Girl«-Geschichten auszumachen. So wird immer wieder suggeriert, dass berufliches und privates Engagement notwendig miteinander konkurrieren – was beim drohenden Versagen in einer der Rollen stets die Falle des schlechten Gewissens zuschnappen lässt. Das tanzende Baby, das Ally hin und wieder erscheint, ist z.B. eine Projektion dieses klassischen inneren Konflikts.
Den Sex gezielt eingesetzt
Geschichten von »Working Single Girls« oder »Women« hat es immer schon gegeben; doch Filme wie etwa Dorothy Arzners »Working Girls« (1931), Stephanie Rothmans »The Working Girls« (1974) und Lizzie Borden’s »Working Girls« (1986) unterscheiden sich radikal von den ungleich gefälligeren Produktionen der Gegenwart. Alle drei Filme haben neben dem fast identischen Titel gemeinsam, dass sie sich vor allem für die konkreten, sehr realistisch dargestellten materiellen Lebensverhältnisse ihrer weiblichen Figuren interessieren. Zwar geht es auch hier um das Verhältnis von Frauen und Männern, das etwa in Bordens Film jedoch völlig unromantisch als sex business in den Räumlichkeiten eines New Yorker Bordells verhandelt und ausführlich dargestellt wird. Auch in Rothmans Film wird Sex gezielt von Frauen eingesetzt, wo keine geeigneteren Mittel zur Verfügung stehen, um ihre jeweiligen Ziele zu erreichen, allerdings ohne auf ihre sexuelle Eigenständigkeit zu verzichten – zwei Aspekte, die sehr schön in dem Ausspruch der Hauptfigur zusammenkommen: »my sex life is my business«.
Das aktuelle Alte
Hier gibt es wenig Sehnsucht, dafür umso smarteres Ausprobieren der eigenen weiblichen Möglichkeiten. Die in diesen Filmen hervorstechende Trostlosigkeit der Geschlechterverhältnisse und besonders der männlichen Charaktere wird vor dem Hintergrund der radikalfeministischen Filmproduktion und -theorie in Amerika verständlich, wo 1972 das erste Internationale Frauen-Film-Festival in New York stattfand und im selben Jahr die feministische Filmzeitschrift Women and Film gegründet wurde. Erstaunlich ist, dass diese Filme trotz ihres aus heutiger Sicht allzu stereotyp-negativen Männerbilds aktueller und ungleich mutiger erscheinen als viele dem Mainstream verpflichtete Gegenwartsproduktionen.
Märchenhaft, aber kritisch
Ein weiterer Film mit demselben Titel, »Working Girl« von Mike Nichols (1988), spannt den Bogen zwischen unabhängigem feministischem Frauenfilm und Hollywood-Mainstream. Auch hier muss sich eine junge, attraktive und nach der Trennung von ihrem Freund allein stehende Frau durch eine sexistische und sie schikanierende Umgebung kämpfen (inklusive einer mobbenden Vorgesetzten, was das klassische Genderstereotyp immerhin aufmischt), auch hier wurde Wert darauf gelegt, ihren beruflichen Alltag detailgenau und glaubwürdig aufzuzeichnen. Selbst wenn die Story am Ende vorhersagbar märchenhaft ausgeht, bleibt die explizite Gesellschaftskritik und speziell die Kritik an einer von Männern geprägten Berufswelt bestehen – eine Grundstruktur, die in den letzten Jahren von solchen Filmen wie »Jackie Brown« (Quentin Tarantino, 1997) und »Erin Brockovich« (Steven Soderbergh, 2000) weitergeführt wurde. Angesichts der Vielzahl von »Working Single Girls« in der Film- und Fernsehgeschichte ist es an der Zeit, sich diese Frauen (noch) einmal genauer anzusehen.
Feminale
11. Internationales FrauenFilmFestival
Ein Überblick über das Programm
Vom 2. bis 6. Oktober zeigt das 11. Internationale FrauenFilmFestival 120 Film- und Videoproduktionen von Regisseurinnen aus 24 Ländern, darunter verschiedene Europa- und Deutschlandpremieren.
Das Programm ist in fünf Sektionen unterteilt: Die Sektion »Horizonte« zeigt sieben Erstlingswerke, die um den Debüt-Preis in Höhe von 2.500 Euro konkurrieren. Aktuelle Spiel- und Dokumentarfilme sowie Animations- und Experimentalfilme aus Europa stellt das »Panorama« vor. »Quer Blick« ist das traditionelle Lesben- und Transgenderprogramm der Feminale. Die Sektion »Zeit Lupe« beschäftigt sich mit dem omnipräsenten Thema Globalisierung, und der Girls Fokus präsentiert Filme von und für Mädchen.
Neben dem Special »Working Single Girls« beschäftigen sich andere thematische Schwerpunkte mit der Experimentalfilmerin Maya Deren und Kuba, außerdem wird die afrobritische Regisseurin Ngozi Onwurah vorgestellt. Alle Termine auch im Tageskalender und unter www.feminale.de
Termine
3.10., 15 Uhr, Filmhaus: »Working Girls« (1931) von Dorothy Arzner.
3.10., 20 Uhr, Residenz: »Ally McBeal« (1. und 9. Folge der 5. Staffel im Original noch vor der Fernsehausstrahlung).
4.10., 13 Uhr, Aula der KHM: »To Be a Working Girl«, Vortrag von Verena Mund mit Videoausschnitten.
5.10., 17.30 Uhr, Filmhaus: »The Working Girls« (1974) von Stephanie Rothman.
6.10., 11 Uhr, Residenz: »Working Girls« (1986) von Lizzie Borden.
Dienstags, 22.10 Uhr, Vox: »Ally McBeal«.
Dienstags, 21.15 Uhr, Pro 7: »Sex and the City«.