Stimmt so!
Neulich im Café: Ich bezahle den Espresso und ein Wasser zu 3,90 Euro, reiche der studentischen Aushilfe einen Fünf-Euro-Schein und bekomme das Wechselgeld mit einer Miene ausgehändigt, als sei ich der allergrößte Kniesbüggel. Haben Sie noch nie erlebt? Auch den weder witzigen noch flinken Köbes nicht, der bloß beim Aufrunden auf die nächste Zehnerstelle hilfreich zur Stelle ist?
Trinkgelder sind heikel und ziehen lebhafte Diskussionen mit den Tischgenossen nach sich. Mal gebe ich angeblich zu wenig, mal zu viel, mal zu großspurig, mal zu beiläufig. Recht machen kann ich es meiner Begleitung — und wohl auch dem Service — nur selten.
Es gibt die Faustregel, wonach fünf bis zehn Prozent der Summe auf der Rechnung zusätzlich an die Bedienung gehen sollte. Dabei ist die Bedienung hier zu Lande im Preis enthalten. Warum dann eigentlich keine Trinkgelder für die Blumenverkäuferin, den Buchhändler, die Dame in der Wäscherei? Was unterscheidet deren Tätigkeiten von denen einer Kellnerin, außer vielleicht deren guter Laune und kompetente Beratung? Oder ist es uns nach wie vor peinlich, bedient und bekocht zu werden?
Die Antwort ist einfacher: Die Trinkgeldregel stammt aus den 50er Jahren, aus einer Zeit also, als man höchstens einmal im Monat feierlich zum Sonntagsmahl ein Lokal betrat, um nach Kaffee und Weinbrand dem »Fräulein« großzügig einen Zehn-Mark-Schein in die Hand zu drücken. Aber heute, wo man ständig in Bistros und Cafés vor Latte oder der x-ten Zwischenmahlzeit hängt, ist eine starre Trinkgeldregel hinfällig.
Ich rate dazu, nach dem Bezahlen etwas Kleingeld auf dem Tisch liegenzulassen. Denn man wird erfahrungsgemäß beim nächsten Mal auch nicht besser bedient, rundet man um satte 25 Prozent auf.