Wachkomapatient: der Ebertplatz

Kölner Orte, die man nicht gesehen haben muss #1

Begibt man sich von Süden aus über die Ringe, landet man nach einer urbanen Runde entlang der Herrscher der germanischen Geschichte plötzlich in der Demokratie: Friedrich Ebert gibt dem vorletzten Abschnitt seinen Namen.

 

Keine Frage: Demokratisch ist der Ebertplatz. Ein Kölner Verkehrsknotenpunkt, an dem über- und unterirdisch allerlei Richtungen zur Wahl stehen. Und das ist praktisch: Denn der Ebertplatz ist von solch einer verstörenden Tristesse, dass man möglichst schnell wieder weg möchte: Obwohl schwer betriebsam, liegt der Platz im versteinertem Wachkoma. Wie verirrte Neuronen streben Passanten von A nach B, um den Platz möglichst schnell wieder Platz sein zu lassen. Lediglich ein paar Junkies scheinen sich an diesem Ort etwas wohler zu fühlen und sitzen verstreut auf Bänken oder Mauern.

 

Man kann seine Gestaltung gar nicht mal lieblos nennen: Der Bildhauer Wolfgang Göddertz hat in den 70ern ein Brunnen-Kunstwerk- Hybrid in der Steinwüste errichtet, dessen Wasser ein paar Jahre später versiegte. Zurück blieb diese trostlose Insel mitten im großstädtischen Verkehrsfluss.

 

Dennoch ist auch dieser Platz ein echtes Stück Köln. Zum einen als Ausdruck des Kölner Unvermögens, Funktionalität und Ästhetik städtebaulich zusammenzubringen. Zum anderen als Beweis dafür, dass man hier selbst auf sein bauliches Unvermögen noch ein wenig stolz ist. Schließlich haben wir auch 600 Jahre gebraucht, um die große Kirche in der Innenstadt endlich fertigzukriegen — und heute reist die ganze Welt dort hin.

 

Anja Ehrhardt und die Fotografin Annette Etges haben mit »Kölner Orte, die man nicht gesehen haben muss« einen Stadtführer der anderen Art entwickelt. Hier stellen sie ihre Erkundungen vor.