Kölsche Verrottungspolitik
Die Mitteilungen der Initiative »Bürger für Ma’alot« wirken wie Wasserstandsmeldungen. Mal sinkt der Pegel in melancholische Tiefen, mal steigt er bis zur Euphorie. Derzeit ist er auf Höchststand, denn die Stadt Köln will endlich den Heinrich-Böll-Platz vor dem Museum Ludwig sanieren. Es geht dabei vor allem um die raumbeherrschende Installation Ma’alot des israelischen Künstlers Dani Karavan mit einer in den Boden eingelassenen Schiene, einer meterhohen Stele und den Ufer-Terrassen. Derzeit sieht das Areal so aus, wie Kölner Plätze eben aussehen: Die Bodenklinker der 1986 fertiggestellten Installation wackeln oder fehlen gleich ganz, die Granitplatten sind gebrochen, die Stele rostet vor sich hin. Was man bei den Brücken nicht sieht, lässt sich bei Ma’alot anschaulich studieren: Kölsche Verrottungspolitik, verursacht durch Nichtkümmerer. Zehn Institutionen, vom Ordnungsamt über die Bezirksvertretung Innenstadt, das Museum Ludwig, die Philharmonie, Baudezernat, Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) und Architekten bis hin zum Künstler blockierten sich gegenseitig. Dass jetzt 700.000 Euro bereitgestellt werden, ist — sagen wir es offen — einem Antrag im Beschwerdeausschuss vom Herbst 2012 und den Abgängen von Museumschef Kasper König und Baudezernent Bernd Streitberger zu verdanken.
Das Geld steht also bereit, das Architekturbüro Bohl soll einen Sanierungsplan für die maroden Klinker und Granitplatten erarbeiten. Die Stele kann sofort entrostet werden, vielleicht reicht es sogar für die von der Initiative gewünschten Infotafeln zum Kunstwerk. Doch Ärgernisse bleiben: Etwa das Schallproblem der kreisförmige Fläche, die bei Proben oder Konzerten in der Philharmonie von einer Wachmännchen-Parade abgesperrt wird. Und wenn die Sanierung abgeschlossen ist, darf die AWB nicht mehr mit schwerem Gerät den Platz reinigen. Ma’alot stellt eine städtebauliche Grundfrage: In welchem Verhältnis stehen ästhetischer Urheberschutz und öffentliche Nutzung zueinander? Wo schlägt das Recht, den städtischen Raum nach Gusto zu besetzen, in die Zerstörung eines Kunstwerks um? Umgekehrt: Wo wird der Schutz ästhetischer Belange zur Gängelung urbanen Lebens? Ma’alot bewegt sich auf der Grenze zwischen beiden. Die in einer Grasnarbe versenkten Ziegel sind für einen touristischen Parcours ungeeignet, das müssen auch Architekten begreifen. Umgekehrt muss die Stadt endlich ein Sensorium für Lösungen entwickeln, die ästhetisch und pragmatisch zugleich sind — und nicht einfach nur trostlos. Bei Ma’alot lautete der Vorschlag: Klinker in Asphalt, also ein schäbiges Provisorium. Was soll ein Künstler dazu anderes sagen als: Schwachsinn! Um das für die Zukunft zu verhindern, kommt jetzt die ungleich größere Aufgabe auf die Initiative zu: Modelle für eine regelmäßige Pflege von Ma’alot zu finden. Dagegen ist die Sanierung eine Petitesse.