Unterwegs gegen Nazis
Im vergangenen Jahr holte der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) zum Schlag aus: Er verbot die rechtsextremen Kameradschaften in Köln, Aachen, Hamm und Dortmund, er ließ Wohnungen durchsuchen, Waffen beschlagnahmen und Verdächtige festnehmen. Seitdem treten die Neonazis zwar seltener öffentlich in Erscheinung. Entwarnung könne man deswegen aber nicht geben, so Hendrik Puls von der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Köln: »Die Neonazis haben sich größtenteils reorganisiert.« Nachdem ihre jeweilige Kameradschaft verboten wurde, seien viele in die Partei »Die Rechte« eingetreten, deren Landesverband sie nun dominierten. In Aachen, Heinsberg und Düren wurden neue Kreisverbände gegründet. »Sie betreiben einen neuen Versandhandel und bringen ihre Propaganda weiter unters Volk«, so Puls.
Im Kampf gegen Rechtsextremismus sind Puls und seine Kollegen wichtige Ansprechpartner — für Schulen, Vereine, Unternehmen und Gemeinden. Fünf Träger in Schwerte, Vlotho, Münster, Wuppertal und Köln setzen die Mobile Beratung um. Trotzdem steht das Erfolgsmodell vor dem Aus: Das Bundesförderprogramm »Toleranz fördern — Kompetenz stärken«, das die Mobile Beratung mit 51.000 Euro pro Jahr und Standort finanziert, läuft Ende 2013 aus. Wann und in welcher Form die Beratung weiterfinanziert wird, ist noch völlig offen. »Anfang 2014 müssen wir mit einer Finanzierungslücke rechnen.«
Dabei ist der Beratungsbedarf unverändert hoch, zum Beispiel an Schulen. »Wenn ich mich über neue Tendenzen im Rechtsextremismus informieren will, ist das Mobile Beratungsteam mein bester Ansprechpartner«, sagt Jens Tanzmann. Der Lehrer nimmt mit dem Pulheimer Geschwister-Scholl-Gymnasium am europaweiten Netzwerk »Schule ohne Rassismus — Schule mit Courage« teil und führt mit Schülern immer wieder sogenannte »Putztage« durch, um den Ort von Hakenkreuz-Schmierereien und Aufklebern mit rechten Parolen zu befreien. Die Berater geben Tanzmann Rechtshilfe, veranstalten Fortbildungen an der Schule und zeigen Schülern, wie sie Stammtisch-Argumente entkräf--ten können.
Sollte die Mobile Beratung ihre Arbeit einstellen müssen, träfe dies vor allem kleinere Städte und ländliche Regionen. Der Rhein-Sieg-Kreis und der Rhein-Erft-Kreis prüfen auf Betreiben der SPD bereits, ob sie die Mobile Beratung in ihrer Region im Fall einer Finanzierungslücke selbst bezahlen können. »Das ist ein schönes Signal, löst aber das Problem nicht«, sagt Puls. Er hofft auf die Hilfe der Landesregierung, die im Koalitionsvertrag klar ihren Willen zu einem »integrierten Handlungskonzept« gegen Rechtsextremismus bekundet hat. »Wenn die Regierung zu ihren Plänen steht, kann sie die Verantwortung für unsere Finanzierung nicht mehr allein dem Bund zuschieben.«