Man lebt nur dreimal
James Bond wird zurück kommen, so lautet das Versprechen, mit dem seine Abenteuer traditionell ausklingen. Es wartet auf uns im Abspann, kurz nachdem der englische Geheimagent mit irgendeiner »Bondine« final intim wird, weil der Schurke erledigt und die Welt (vorerst) gerettet ist. 007 – das gilt vor allem für die Erwartungen seines Publikums – hielt seine Versprechen. So gab es von »Dr. No« (1962) bis zu »Man lebt nur zweimal« (1965) alljährlich einen neuen Bond zu bestaunen, fortan erfüllte sich die Fortsetzungsversicherung im Zweijahrestakt.
Der Bruch dieser Regel kam spät und erschien in seiner Wucht fast schon wie das Aus. Als »Lizenz zum Töten« 1989 weit hinter den Produktions- und Publikumserwartungen zurückblieb, schien die erfolgreichste Kino-Serie aller Zeiten am Ende. Sechs Jahre dauerte es, bis sie eine Fortsetzung und das Bond-Fundament mit »Goldeneye« einen neuen Anstrich bekam. Timothy Dalton, ein ernster, ungewohnt verbindlicher und beinahe monogamer Agent in Zeiten von Aids und Perestroika, wurde durch den leichtfüßigen Pierce Brosnan ersetzt. Dieser 007 zeigte sich völlig im Klaren darüber, dass nicht nur der Kalte Krieg inzwischen Geschichte und die UdSSR zerfallen war, sondern auch, dass der fortgeschrittene Gender-Diskurs den Modellsexisten und zynischen Helden des Kapitalismus vor neue Aufgaben stellte.
Eine heikle Situation, die Bond mit der ihm eigenen Nonchalance durch einen alten rhetorischen Kniff bewältigte. Die Gegenargumente wurden integriert, um daraufhin – wo ja nun alles gesagt wäre – trotzig und mit einem gerüttelt Maß an Ironie exakt das zu tun, was er schon immer getan hatte: Nachdem ein »Bond-Girl« in »Goldeneye« Verhalten und Welt des Helden als »boys with toys« bezeichnen durfte, russische Gegner Freunde wurden, Bonds Chef M als Dame (Judy Dench) reinkarniert war und sie ihn sogar in ihrer Begrüßungsrede als »sexistischen, misogynen Dinosaurier« beschimpft hatte, war der Pflicht genüge getan. Fortan durften Frauen manchmal etwas mehr kämpfen, 007 mehr selbstreflexive Gags auf seine Kosten übernehmen und sich die Serie damit als Fixpunkt im postklassischen Blockbusterkino einrichten. Man lebt nur zweimal.
Rückblickend erwies sich die Zäsur Anfang der 90er Jahre als Voraussetzung für einen neuen Erfolg, an dem inzwischen auch zeitgenössische Abbilder teilhaben. Sieben Jahre nach der zum Töten lizenzierten »Stunde Null« starten nun binnen fünf Wochen das 20. Bond-Abenteuer »Stirb an einem anderen Tag«, der inzwischen schon dritte Teil des 007-Mini-Me »Austin Powers« und mit »Triple X« der Versuch, die Bond-Formel für eine neue Zielgruppe auszuwuchten. Das Zusammentreffen mag Zufall sein – gleichwohl bringt es mit Macht die Bedingungen des aktuellen Superagenten-Revivals auf den Punkt.
Wie die PR-Herolde zu »James Bond – Stirb an einem anderen Tag« lauthals heraus posaunt haben, wird sich auch unter der Regie von Lee Tamahori nicht viel am bewährten Rezept ändern. Nur dass Pierce Brosnan nach dem Prinzip der leicht verspäteten 007-Reförmchen diesmal Halle Berry als erste afroamerikanische Geliebte behilflich sein wird. Für den Proporz sorgen Rosamund Pike als »Bondine« Nr. 2 und Madonna, die sowohl den Titelsong beisteuert als auch eine eigene kleine Rolle bekommen hat.
Damit reagiert »Bond 20« auf »Austin Powers« und dreht ganz in der Tradition seiner eigenen Aneignungsfähigkeit das Nutzungsverhältnis zwischen Parodie und Original um. Schließlich ist James Bond auch als Profiteur erfolgreicher Kinotrends immer Imperialist gewesen. Hatte Madonna noch 1999 mit »Beautiful Stranger« Austin Powers als »Spion in geheimer Missionarsstellung« angesungen, wird sie mit dem Titelsong »Die Another Day« nun in die Familie des großen Vorbilds aufgenommen. Auf dem derzeitigen Höhepunkt seiner Kinopotenz, die mit der Einspielsumme von 350 Millionen Dollar für »Der Morgen stirbt nie« besiegelt wurde, besinnt sich Bond auf alte Nehmer-Qualitäten. Wie sagt M im neuen Abenteuer so treffend: »Es scheint, dass Sie wieder nützlich geworden sind.«
Nützlich bleibt Bond auch in »Austin Powers in Goldständer«, in dem es zum dritten Mal durch die Zeit und gegen Dr. Evil geht. Allerdings wird das Spiel um Parodie und Original zusehends smarter, wenn Mike Myers nun Michael Cain als seinen Vater präsentiert und damit auf dessen Spionagevergangenheit als Harry Palmer anspielt, der Mitte/Ende der 60er als »working-class James Bond« gefeiert wurde. In gewisser Weise ist die »Austin Powers«-Trilogie damit die absurd konsequente Ausweitung der Selbstbezogenheit, mit der 007 seine Rückkehr seit »Goldeneye« ermöglicht hatte. Und wenn Austin Powers die eine Seite der neuen Bond-Medaille ist, dann illustriert Rob Cohens »Triple X« die andere.
Um den angestrebten Paradigmenwechsel für jeden plausibel zu machen, beginnt Rob Cohens selbst ernannter »Meilenstein des Actionfilms« mit einem akustischen und visuellen Vatermord. Ein smarter, gescheitelter Agent im Smoking gerät ausgerechnet in ein Rammstein-Konzert (»Feuerrr frrrei, bäng, bäng!«), fällt entsprechend auf und wird prompt von der osteuropäischen Terroristentruppe »Anarchie 99« exekutiert. Weil also neue Schurken aus der ehemaligen UdSSR offenkundig nach neuen Helden rufen, kommt Samuel L. Jackson als Superspion – »Der Name ist Gibbons, Augustus Gibbons« – auf eine Idee: Der kriminelle Extremsportler Xander Cage (Vin Diesel) wird als neuer Geheimdienstmann gegen »Anarchie 99« ausgebildet.
Schon ist der Boden bereitet für eine systematische Verwurstung der üblichen Bond-Herausforderungen, mit dem Unterschied allerdings, dass hier auch das letzte Quentchen Humor flöten gegangen ist. Es verabschiedet sich vermutlich freiwillig mit dem Auftritt des einmaligen Vin Diesel als kahl geschorener Fitness-Bolzen, dem praktischerweise drei tätowierte X im Stiernacken den Kampfnamen geben. »X wie Extrem, X wie Exaltiert, X wie Extrovertiert«, vermeldet todernst das Presseheft. Und richtig: Keine Zeit für Späße, immerhin gilt es Videospiele gegen Kulturpessimisten zu verteidigen, mit dem Snowboard aus Hubschraubern zu hüpfen oder mit Silbertabletts über Treppengeländer der pittoresken Prager Altstadt zu surfen. Willige Unterwäsche-Models, die sich in Ermangelung eines Gogo-Käfigs wahlweise an Xander selbst oder seinem Bettpfosten reiben, spielen obligates Set-Design.
Ein »Meilenstein« ist »Triple X« darum vor allem in der Stumpfheit des Zielgruppen-Targeting, mit der er einer angenommen Videogame-, Extremsport- und Rammstein-Fangemeinde »ihren« Superagenten andient. »Adrenalin – I’m going to extreme!« tönt es im finalen Song von Gavin Rossdale. Super-Xander lebt, wie sein Geheimdienst-Waffenmeister betont, »den Traum eines jeden Jungen«, wobei auch hier die angestrengte Hoffnung der Verantwortlichen zu spüren ist, dass zumindest »jeder Junge« doch bitte diesen Quatsch anschauen möge. In den USA scheint dies bereits erfüllt: In nur zwei Wochen hat Rob Cohens Film seine 85 Millionen Dollar Produktionskosten eingespielt, und die Fortsetzung ist für 2004 angekündigt.
So führt der Weg ins Extrem, den sowohl »Triple X« als auch »Austin Powers in Goldständer« einschlagen, in beiden Fällen immer wieder zu 007 zurück. Genauer gesagt zum neuen Erfolg seit »Goldeneye«: Denn auf ihre Weise haben Austin Powers und Xander Cane genau jene zwei Grundelemente radikalisiert, dank denen Bonds Comeback gelungen war. Aus den ineinander greifenden Momenten von ironischer Selbstreflexivität und reaktionärem Trotz, hat sich Austin Powers den ersten Teil geschnappt, während Xander Cane sich gleichsam exklusiv den »Rest« inklusive der Action einverleibt hat. Es wird sich zeigen, wie viel selbstständige Abspaltungen der Januskopf des 007 noch erträgt, bevor er sich selbst zur Bedrohung wird.
xXx (dto) USA 02, R: Rob Cohen, D: Vin Diesel, Asia Argento, Márton Csókás, 124 Min. Ist bereits angelaufen.
Austin Powers in Goldständer (Austin Powers in Goldmember) USA 02, R: Jay Roach, D: Mike Myers, Beyonce Knowles, Seth Green, 94 Min. Start: 24.10.
Stirb an einem anderen Tag (Die another Day) USA 02, R: Lee Tamahori, D: Pierce Brosnan, Halle Berry, Rick Yune. Start: 28.11.