Die Front rückt näher

Im FWT überzeugt das Ensemble mit dem Kriegsspiel »Deutlich weniger Tote«

"Keine brennenden... ?" "... Menschen? Nein, nicht mehr so viel brennende Menschen, vielleicht zwei, drei am Tag, oder wenn die Müllabfuhr nicht rechtzeitig kommt, wenn die Müllabfuhr sie nicht rechtzeitig von den Bäumen holt, dann zappeln sie da ein paar Tage, und die Kinder spielen damit."

 

Zwei Protagonisten in grauen Monteursanzügen machen über die Ungeheuerlichkeiten in Kriegsgebieten Smalltalk wie Dauercamper über das Wohlbefinden ihrer Geranien. Der Dialog stammt aus der Polit-Satire "Deutlich weniger Tote", in der Autor Falk Richter unseren alltäglichen Umgang mit Terror und Krieg in den Fokus nimmt. Dem Ensemble des Freien Werkstatt Theater (FWT) blieb der zehnminütige Theatertext zu vage. Regisseurin Judith Kriebel hat ihn für ihre Produktion gemeinsam mit FWT-Leiterin Inken Kautter und ihren Schauspielern fortgeschrieben.

 

Entstanden ist ein komplexes Brainstorming in Spielfilmlänge zu der Frage "Wie lässt sich im Theater eigentlich Krieg spielen?" Auf der Bühne katapultieren Valentin Stroh und René Wedeward den Zuschauer spielfreudig durch eine Collage aus verteidungspolitischen Stellungnahmen, Kriegsliteratur und Zeitdokumenten, die es in sich hat: Shakespeare wechselt sich ab mit Kanzlerin Merkel, Ernst Jünger trifft auf Helmut Kohl, von Afghanistan geht es in den Kosovo. Abwechselnd wirft ein Overhead-Projektor Landkarten von Kriegsgebieten an die Wand, lässt auf Strohs nacktem Oberkörper sein Inneres erscheinen, wenn er in einer kurzen Spielszene als Soldat mit posttraumatischer Belastungsstörung vom Arzt der Drückebergerei verdächtigt wird oder man sieht Sprüche wie "Make love not war".

 

Trotz vieler Sprünge und Textlastigkeit überzeugt das Rechercheergebnis inhaltlich und formal. Das Stück dröselt ganz und gar nicht plakativ auf, wie schwierig es ist, eine klare Haltung zum Krieg zu finden, man spürt, dass das Ensemble den Militäreinsätzen der Bundeswehr kritisch gegenübersteht. Wie Richters Kritik hält auch dieses "Kriegspiel" keine Patentlösung bereit. Auf der Bühne ist man so unentschlossen wie die deutsche Politik. Wie reagiert man, wenn Krieg ist? Was bedeutet es, wenn Deutschland laut Guido Westerwelle hilft "die Stabilisierung in Mali möglich zu machen"? Wann sind Aufständische rebellische Milizen, wann afghanische oder syrische Bürger?

 

Das Dilemma, das der Abend erzählt, wird deutlich: Wer sich an einem Krieg beteiligt, macht sich schuldig. Wer es unterlässt, vielleicht auch.