»Wir wollen nicht im Museum leben«
Herr Dr. Werner, was sind derzeit Ihre wichtigsten Aufgaben?
Kurzfristig sollte sich der Denkmalschutz aktiv in die Stadtplanung einbringen. Aber nicht als Störfaktor, sondern positiv. Wir wollen uns stärker in den Gremien, den Wettbewerbsverfahren, den Stadtplanungssitzungen engagieren. Außerdem wollen wir öffentlich mehr in Erscheinung treten, zum Beispiel in Diskussionsforen unsere Ideen den Bürgern, der Politik und der Verwaltung nahebringen. Ich könnte mir auch vorstellen, dass wir mit Ausstellungen und Vorträgen auf uns aufmerksam machen und auch wieder mehr publizieren.
Sie hatten seit 2011 im Amt für Denkmalschutz mit dem Umbau des Gerling-Viertels zu tun. Der Streit mit dem Investor Frankonia ging bis vor die Gerichte. Eine Niederlage für den Denkmalschutz?
Ich habe mich dem Versuch des Investors Frankonia, Balkone an dem Hochhaus anzubringen, nicht gebeugt. Sie haben es mehrfach probiert, jetzt wird es nur die denkmalverträglichen Loggien geben. Die Umgestaltung ist bis auf Kleinigkeiten für den Denkmalschutz gut gelaufen. Mir ging es speziell bei dieser Architektur von Beginn an mehr um die Stadtbild prägende Figur des Komplexes als um das einzelne Detail.
Aber weckt der Neubau an der Ecke Von-Werth-Straße/Gereonshof nicht Assoziationen an eine Gated Community?
Ich hätte das moderne Torhaus nicht erlaubt, das den Innenhof abschottet und die Blickachsen verstellt. Der Platz, der einmal eine einladende Geste hatte, grenzt sich dadurch ab. Hier hat die Denkmalpflege verloren. Das hätte man allerdings schon im Bebauungsplan 2006 verhindern müssen, genauso wie die Kubatur und Höhe der Neubauten im Bereich des alten Stadtarchivs.
Auch die Stadt selbst verhält sich nicht immer denkmalfreundlich: So soll im Zuge des U-Bahn-Baus die Villa Lenders an der Bonner Straße abgerissen werden. Die Villa Lenders steht unter Denkmalschutz, einen voreiligen Abriss wird es nicht geben. Wenn allerdings in einem Planfeststellungsverfahren alle öffentlichen Organe konstatieren, dass das öffentliche Interesse größer ist als der Denkmalschutz, dann müssen wir in die Knie gehen. Aber erst dann und nicht vorher.
Eines Ihrer Steckenpferde sind die romanischen Kirchen. Was ist da zu tun?
Im Umfeld der romanischen Kirchen gibt es noch zahlreiche Baulücken. Zum Beispiel müsste bei St. Ursula ein Block noch geschlossen werden. Dann wäre die Stadtmöblierung um die Kirchen herum zu entschlacken, also der Schilderwald oder die zahllosen Poller.
Ein Streitpunkt im Gereonsviertel wie am Waidmarkt war die Frage, wie hoch im Umfeld der Kirchen gebaut werden darf. Der Streit um die Bauten am Waidmarkt und im Gerlingviertel lässt nur den Schluss zu, dass man das Höhenkonzept, das bisher nur empfehlenden Charakter hat, ins Bauplanungsrecht übernimmt und damit zu einer juristischen Handhabe macht. Dann allerdings nicht so statisch, dass man mit dem Zirkel um die Kirchen einen sogenannten »Wirkungskreis« zieht. Es darf nicht dazu führen, dass Neubauprojekte wie der Waidmarkt nicht stattfinden. Wir wollen ja auch nicht im Museum leben.
Sie machen sich auch für Bauten der 60er und 70er Jahre stark. Was ist an denen schützenswert?
Wenn wir ein Gebäude unter Schutz stellen, geht es nicht um schön oder hässlich, sondern um den Stellenwert des Architekten, die kultur- und technikgeschichtliche Rolle des Gebäudes oder um die Qualität des Gebäudes. Denken Sie an die Hochhäuser aus den 60er und 70er Jahren: Das Unicenter, das Colonia-Hochhaus und der Ringturm am Ebertplatz bilden markante städtebauliche Punkte; so steht das Colonia-Hochhaus für den nördlichen Endpunkt der Kern-Stadt. Angesichts dieser städtebaulichen Qualität geht es also nicht ausschließlich darum, ob das gelungene Architektur ist oder nicht.
Muss eine Stadt Bauten aus jeder Epoche unter Schutz stellen?
Ja, aber man muss sich genau überlegen, welche. Bei den Bauten aus den 60er und 70er Jahren würde ich nur exemplarische Gebäude unter Schutz stellt: Vielleicht zwei Verwaltungsbauten, ein öffentliches Gebäude wie die Musikhochschule, dann die Unigebäude — dann ist es auch gut. Man muss sich da ein Konzept überlegen. Gerade weil diese Epoche mit den auftretenden Bauschäden und der notwendigen energetischen Ertüchtigung mit ihrem eigentlichen Charakter schwierig zu erhalten sind.
Die ehemalige Stadtkonservatorin Hiltrud Kier hat einmal gesagt, der Denkmalsschutz brauche keine Zwergkaninchen, sondern einen Wachhund. Wo ordnen Sie sich in dieser Zoologie ein?
Ich kann das Bild schwer toppen. Ich tendiere eher zum Wachhund, der Alarm schlägt.
Dr. Thomas Werner, Jahrgang 1962, hat an der FH Köln Architektur studiert und anschließend in den Architekturbüros von Hentrich-Petschnigg & Partner sowie Schilling Architekten gearbeitet. Ein Studium der Kunstgeschichte schloss er mit einer Promotion zum Thema der Differenzierbarkeit von Gestaltungsauffassungen romanischer Baumeister ab. Neben seiner Tätigkeit als Architekt verfügt Thomas Werner über langjährige wissenschaftliche Erfahrung, so hat er an der FH Detmold gelehrt. Im Dezember 2012 wurde er zum neuen Kölner Stadtkonservator berufen.