Galit Eilat, geboren 1965 in Israel, ist Kritikerin und Kuratorin (u.a. Van Abbemuseum Eindhoven) und lebt heute in den Niederlanden und Köln. Ihre ­Projekte beschäftigen sich mit der geopolitischen Situation im Mittleren Osten, dem Aktivismus und der politischen Imagination in der Kunst; Foto: Manfred Wegener

Die Zukunft der Kunst

Galit Eilat, geboren in Israel, hat uns eines voraus: die nicht-westeuropäische Perspektive. Und wie blickt die Präsidentin der Kölner Akademie der Künste der Welt auf den Kunstmarkt?

Meine erste Erfahrung mit Kunst war früh. Ich habe gemalt, dann an der Highschool und später an der Akademie Kunst, Kunstgeschichte und Fotografie studiert. Die erste Begegnung mit dem Kunstmarkt folgte während meiner ersten Ausstellung mit anderen jungen Künstlerkollegen. Während des Aufbaus kam ein Sammler, sah die Arbeiten und ging wieder. Die Galeristin kam dann, gut gelaunt, und sagte, er habe dies und das gekauft — er hat nicht gegrüßt, es gab keine Vorstellung. Es passierte direkt nebenan, aber ohne uns, die Künstler.

 

Einen Monat später haben wir eine Verkaufsausstellung in meinem Haus organisiert und jede Arbeit für hundert Schekel, etwa zwanzig Euro, angeboten. Es war eine emotionale Reaktion, nach der Erfahrung mit dem Sammler, als es wie ein Supermarktverkauf lief. Der zweite Grund war: Wir wollten die nächste Generation von Sammlern, unsere Generation, anleiten, Kunst zu kaufen, und mussten es so gestalten, dass solche Leute kaufen können! Es war nicht einfach gegen den Markt gerichtet. Es war ein Angebot für unsere Freunde und für Menschen, die nicht professionell kaufen. Natürlich führte das zum Bruch mit der Galerie, sie verkauften Arbeiten für 4.000 Schekel oder mehr und wir für hundert, das konnten sie nicht akzeptieren.

 

Kunst und Markt gehören seit jeher zusammen, das ist keine Erfindung des 20. Jahrhunderts. Was mir Sorge bereitet, ist die Beziehung zwischen beidem: historisch bzw. traditionell haben Museen, Kunstkritik und Diskussionen zum symbolischen Wert eines Werks beigetragen. Aus dem symbolischen Wert hat sich dann der Marktwert entwickelt. Ich glaube, heute ändert sich das: Der Marktwert wird oft als symbolischer Wert betrachtet. Man redet darüber, was eine Arbeit kostet und nimmt den Preis als Mehrwert des Werks — das macht Angst

 

Was Kunst von anderen Erzeugnissen unterscheidet, ist der symbolische Wert! Wenn er verschwindet, betrachten wir Kunst wie jedes andere Produkt. Und vielleicht ist Kunst wie jedes andere Produkt, vielleicht müssen wir überdenken, was »Kunst« heute ist und ihr einen neuen Namen geben. Man kann das sehr gut am Beispiel Tino Sehgals illustrieren: Er verkauft dem Museum einen Vertrag, in dem steht, was die Arbeit ist und wie die Performance aufzuführen ist — sonst nichts, keine Zeichnung, nichts. Das bringt es auf den Punkt, er verkauft eine Vereinbarung: die Vereinbarung über den symbolischen Wert des Kunstwerks.
Wir unterscheiden uns als menschliche Wesen von allen anderen in dem uns bekannten Universum dadurch, dass wir über Dinge sprechen, die nicht existieren. Wir können über Gott reden, über Kunst, Religion, wir bezahlen mit einem Geldschein, wir erfinden Firmen, eine LTB-Company: Dinge, die nur als Vereinbarungen existieren. Die Beziehung zwischen Geld und Kunst ist eine konzeptionelle Vereinbarung. Wenn du sie brichst, was bleibt dann? Das Schöne an der Kunst ist, dass wir über eine Vorstellung reden können, und wir können es uns gemeinsam vorstellen. Wenn wir uns darüber einig sind, können wir über vorgestellte Gemeinschaften reden und politische Phantasie ausprobieren, die heute so sehr fehlt.

 

Museen werden ihr Rolle ändern müssen, wenn sie relevant bleiben wollen. Sie müssen sich darauf konzentrieren, was sie heute anbieten können, auch als Ort kultureller Debatten: Warum eigentlich bewahren wir Kunst, welche anderen Erzählungen kann das Museum bieten bezüglich Vergangenheit und Gegenwart? Viele Museen stellen diese Fragen nicht.