Die Abgeschobenen

Eine junge Liebe wird auseinandergerissen. Nicht etwa , wie man es von den Theaterklassikern kennt, sind verfeindete Familien wie im alten Verona oder ehrgeizige Verheiratungspläne daran schuld: Die deutsche Bürokratie hat zugeschlagen. Unaufhaltsam und unangreifbar.

 

Deswegen sitzt Elvira nicht mehr in Deutschland im Matheunterricht und freut sich auf ihren Bruno, sondern der Teenager ist in einer Welt gelandet, deren Sprache sie nicht versteht: im Kosovo. Sie ist in materieller und seelischer Not. Es gibt nicht einmal Medikamente für ihren kriegstraumatisierten kleinen Bruder. Dabei hat Elvira nur zweimal in ihrem Leben, wie sie selbst sagt, gemerkt, dass sie eine Roma ist: Als ihr Haus damals im Kosovo abgebrannt wurde — und bei ihrer Abschiebung aus Deutschland.

 

Theater, das auf Missstände hinweist, ist ein Glücksfall, wenn gut gemeint und gut gemacht zusammenfinden. Von dieser gesellschaftlichen Relevanz träumt das Gegenwartstheater. Natürlich müssen dazu die Fakten stimmen. Autor Björn Bicker hat für sein Stück »Deportation Cast« gründlich recherchiert, um den Vorgang Abschiebung zu verstehen. Mit betroffenen Roma hat er ebenso gesprochen wie mit Akteuren der anderen Seite, den Sachbearbeitern der Ausländerbehörden, Piloten, Ärzten.

 

Konsequenterweise erzählt er nicht nur das Drama von Elvira und Bruno, sondern unterfüttert eine berührend-dramatische Handlung mit politischen Informationen, lässt andere Figuren die Geschehnisse nüchtern rekonstruieren und verliert die Frage nach der gesellschaftlichen Mitverantwortung nicht aus dem Blick.

 

Es entstehe aus der Summe subjektiver Blickwinkel und Erfahrungen ein vielschichtiges Panorama unserer Gesellschaft, urteilte die Jury des Deutschen Jugendtheaterpreises — und hatte ihren Sieger 2012. Wie in der Uraufführung verteilt Regisseur Gerhard Roiß für seine Inszenierung im Theater im Bauturm die zwölf ­Rollen des Stücks auf ein vierköpfiges Ensemble.