Kein Platz für Jugendliche
Stephan Teine schüttelt immer wieder den kahlen Kopf. »Ich fühle mich verarscht«, sagt er. »Das können Sie auch ruhig so schreiben.« Der ganze bisherige Ablauf habe bei ihm den Eindruck hinterlassen, dass das Projekt machbar sei. »Da hätten die von der Verwaltung doch gleich Nein sagen können«, schimpft der 46-Jährige.
Der Reihe nach: Mitte März macht via Twitter die Nachricht die Runde, dass linke Aktivisten ein leerstehendes Gebäude an der Brühler Landstraße besetzt hätten. Sie wollten ein offenes Wohn- und Sozialprojekt starten, mit Notschlafstelle, Selbsthilfewerkstatt, Umsonstladen und Vokü. Auch Teine erfährt von der Besetzung — und macht sich auf den Weg in den Kölner Süden. Das Gebäude würde er gerne selbst nutzen. Schon seit zwei Jahren steht er in Verhandlungen mit der Stadt, um dort ein Jugendprojekt aufzuziehen. Teine kann die Besetzer von der Ernsthaftigkeit seiner Pläne überzeugen, die neun jungen Menschen verlassen friedlich das Gelände.
Eine Woche später passiert das, was Teine so verärgert: Bei einer internen Besprechung beschließen Stadtplanung, Gebäudewirtschaft und Jugendamt, in die nächste Ratssitzung am 30.April eine Vorlage einzubringen mit dem Vorschlag, das Gebäude abzureißen. Etwaige Nutzungspläne seien zum Scheitern verurteilt, heißt es aus dem Amt für Gebäudewirtschaft auf Nachfrage. Teine fühlt sich verschaukelt. Die Entscheidung zum Abriss habe schon länger festgestanden, mutmaßt er. Auch dass er noch mitgeholfen habe, die Besetzer friedlich zur Aufgabe zu bewegen, ärgert ihn.
Das »Grüne Haus«, wie er es nennt, ist seit mehr als zwei Jahren Teines Herzensprojekt. Konzeptionell orientert er sich dabei an den Autonomen Jugendzentren der 70er Jahre. »Wir wollen Jugendlichen einen Platz zur Verfügung stellen, an dem sie alles selbst machen können«, sagt er. »Ob mit der Band proben, eine Halfpipe bauen, oder Graffiti sprayen«. Die seit mehreren Jahren leerstehende ehemalige Schreinerei des Grünflächenamtes in Rodenkirchen mit der 7000 m2 großen Freifläche sei ideal für seine Idee, so Teine.
Im März 2011 erkundigt er sich erstmals nach dem Gebäude. Es folgt ein Behördenmarathon: Monatelang sei er von Amt zu Amt, gelaufen und habe E-Mails geschrieben, bevor er im Mai 2012 seine Idee im Ausschuss für Anregungen und Beschwerden vorstellte. Dort äußerte man sich dem Konzept gegenüber aufgeschlossen. »Der Ausschuss unterstützt die Idee des Petenten«, heißt es im Protokoll, wenn auch mit Vorbehalten bezüglich der Umsetzbarkeit. Teine überarbeitet das Konzept mit Unterstützung des Jugendamtes. Er gründet Ende 2012 den Verein »Jugend-Kultur-Raum Köln«. Und erhält die Zusage, sein Konzept noch einmal im Ausschuss vorstellen zu dürfen. Am 29. April 2013. Einen Tag, bevor im Rat vorgeschlagen werden soll, das Gebäude abzureißen.
Fakt ist: Das Gelände liegt im Landschaftsschutzgebiet und soll laut Masterplan in den Grüngürtel integriert werden. Fakt ist auch, dass das Gebäude in einem sanierungsbedürftigen Zustand ist. Daran scheiterte auch schon eine Verlegung des Arbeitslosenprojektes Working Punx von der Amsterdamer Straße an die Brühler Landstraße vor zwei Jahren. Teine hält die Begründungen der Verwaltung trotzdem für nicht zutreffend. »Wäre dieser Hof mitten im Grüngürtel, würde ich das verstehen. Aber er liegt an zwei Verkehrsstraßen«, sagt er. Den veranschlagten Sanierungskosten von einer halben Million Euro hält er entgegen, dass sein Verein das billiger hinbekommen würde. »Wir würden das meiste selbst machen«, sagt der gelernte Zimmerermeister, der später krankheitsbedingt auf Soziale Arbeit umsattelte. Überhaupt: Die Stadt sollte sich angesichts der massiven finanziellen Probleme und der fehlenden sozialen Angebote doch freuen, »wenn jemand was macht und es nichts kostet«, sagt er.
Auch die Bezirksvertretung Rodenkirchen hat sich eingeschaltet. Teine klagte Bezirksbürgermeister Mike Homann (SPD) sein Leid. Der versprach einen Ortstermin noch vor der Ratssitzung, gemeinsam mit einem Architekten und Vertretern der Verwaltung. Wenn dort herauskäme, dass das Gebäude nicht einsturzgefährdet sei, werde man sich gegebenenfalls mit einem Dringlichkeitsantrag noch gegen den Abriss aussprechen, so Homann.
Teine jedenfalls will so schnell nicht aufgeben. »Ich bin überzeugt von meinem Projekt«, sagt er, und hebt wie zur Entschuldigung die Hände. Auf der inneren Handfläche seiner rechten Hand trägt er eine Tätowierung. Ein Spatz, der redensartliche Spatz in der Hand, sagt er. Das Haus an der Brühler Landstraße bleibt vorerst eher eine Taube auf dem Dach.