Draußen vor der Tür
Bussi links, Bussi rechts. Wie geht’s? Hast Du schon gehört? Wer kennt sie nicht, die sinnfreien Smalltalks über den ewig gleichen Tratsch. Wer nicht mitmacht — bleibt draußen. Für die Frau im pinken Kleid gilt das im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei geht Annelitz auf dem hippen Event nur kurz frische Luft schnappen. Doch auf dem Weg zurück kündet ihr die Tür stoisch: »Die Tür ist zu.« Das muss ein Missverständnis sein. Oder ist es ein gezielter Boykott? Egal. Nun heißt es: Klinke putzen bei dieser in Anzug und mit Fliege leibhaftig gewordenen Tür.
Ingrid Lausund beschäftigt sich in ihren Stücken gerne mit Heuchelei und Doppelmoral. In »Tür auf, Tür zu« spielt die Autorin die Phasen gesellschaftlicher Ausgrenzung gnadenlos in fünf Akten der griechischen Tragödien durch. Nur dass die Gottheiten, die das Schicksal der Helden bestimmen, hier Chefetagen- oder Ego-Dings heißen. Wohl nicht zufällig inszeniert die scheidende Intendantin PiaMaria Gehle das Stück als ihre letzte Regiearbeit am Theater der Keller, dessen Insolvenz erst kürzlich abgewendet worden war. In ihrer Bearbeitung ist der klassische Chor ironischerweise aus Kostengründen auf eine Person geschrumpft. Auch ein Akt musste gestrichen werden. Aus Zeitnot, weil der 450-Euro-Jobber (Emanuel Fleischhacker), der virtuos und irrsinnig witzig alle weiteren Nebenfiguren gibt, zur Schicht ins Callcenter muss. Das Bühnenbild tut sein Übriges: seichte Notausgangbeleuchtung und ein instabiler Vorhang.
Die Regeln der Leistungsgesellschaft haben sich hier aufgelöst. Fleiß allein reicht nicht, Können schon gar nicht. Während Teenies, die Dürre-Dings, George Clooney-Wannebes oder ein schlechter Witz als Flummi eintreten dürfen, bleibt Annelitz außen.
Fiona Metscher spielt sie überzeugend als tragisch-komische Heldin, die in einem Gedankenkarussell zwischen Selbstbetrug und Selbstbehauptung taumelt. Mal reagiert sie trotzig auf die Ausgrenzung der Businesswelt (»Morgen scheiße ich denen auf den Schreibtisch«), mal wimmert sie vor Angst (»Wahrscheinlich habe ich längst eine tödliche Krankheit«). Am Ende hat sie ihre Selbstachtung an der Tür abgegeben und versucht nur noch ihr in den Arsch zu kriechen. Vergeblich.
Was übrig bleibt, ist ihr Sozialneid — ausgelöst durch ein menschenverachtendes System. Kluge Unterhaltung gelingt mit einfachen Mitteln, PiaMaria Gehle ein wunderbar würdiger Abgang.