Aushungern, leicht gemacht

Hans-Christoph Zimmermann zur Einsparung bei den Tanzgastspielen

Der Tanz ist der Paria dieser Stadt. Geschunden, gehasst, verächtlich gemacht — darauf deutet die Entscheidung des Kultur- und des Finanzausschusses in Sachen Tanzgastspiele an den städtischen Bühnen hin. 400.000 Euro soll es dafür in der kommenden Spielzeit geben, dazu die Einnahmen aus den Vorstellungen. Das klingt nach viel, ist aber nicht mehr als das Gnadenbrot für eine sowieso schon heruntergehungerte Sparte.

 

Nachdem Choreographin Amanda Miller mit ihrem Ensemble die Kölner Bühnen verlassen hatte, dachte die Stadt zunächst über eine gemeinsame Compagnie mit Bonn nach. Als sich die nicht realisieren ließ, stellte man einen Etat von 1 Million Euro für Tanzgastspiele bereit. Dieser Etat wurde von Rot-Grün systematisch zusammengestrichen. Zunächst auf 700.000 Euro in der laufenden Spielzeit, zukünftig auf 400.000 Euro. Im ursprünglichen Haushaltsentwurf für 2013/14 war selbst dieser Betrag nicht vorgesehen, sondern der völlige Kahlschlag des Tanzes — gegen den ausdrücklichen Protest des Kulturdezernenten. Das jetzt vereinbarte Almosen hat den Beigeschmack eines Politmanövers: Erst geben die Haushälter den Terminator, dann können sich die Kulturpolitiker als Retter aufspielen. Schlimmer noch: Die »Rettung« offenbart, dass die Politik nicht mehr in Wahlperioden, sondern nur noch in Haushaltsjahren denkt.

 

Ungeklärt ist, wie die Intendanten von Oper und Schauspiel mit dieser Regelung umgehen werden. Vereinbart war bisher, dass sie als Kompensation für die zur Verfügung gestellte Infrastruktur die Einnahmen aus den Tanzgastspielen erhalten. Wenn jetzt die Erlöse dem Tanz selbst zukommen, machen die beiden anderen Sparten ein Minusgeschäft. Das zeigt nicht nur die Kurzsichtigkeit der jetzt gefundenen Lösung. Es rächt sich, dass die Politik seit Jahren auf eine nach Sparten getrennte Rechnungslegung bei den Bühnen gedrängt hat. Das führt nicht nur zu einer Durchökonomisierung des Betriebs. Das gegenseitige Aufrechnen unterhöhlt auch das Miteinander des Mehrspartenbetriebs.

 

Aber schon das Reden von drei Sparten ist inzwischen blanker Hohn. Dass diese Stadt einmal ein eigenesTanzensemble besaß, ist längst Geschichte. Es geht nicht um ein paar Gastspiele mehr oder weniger. Köln koppelt sich mit dieser Entscheidung sukzessive vom internationalen Tanzgeschehen ab. Das hat Folgen für die Freie Szene, wie für die Studierenden der Hochschule für Musik und Tanz oder der Sporthochschule. Und: Es macht das Plädoyer für kulturelle Bildung zum dürren Lippenbekenntnis.

 

Beim Kulturausschuss Mitte April war auch eine Gruppe junger Tanzstudenten anwesend. Sie bekamen nicht nur einen Einblick in das trickreiche politische Alltagsgeschäft. Sie mussten auch erleben, wie die Kulturpolitiker Generalmusikdirektor Markus Stenz an den Lippen hingen nur um dann den schäbigen Umgang mit dem Tanz hautnah zu erleben. Letztlich gilt für Köln, was George Orwell etwa so formulierte: Alle Sparten sind gleich, aber manche sind gleicher.