»Einiges lasse ich unerledigt zurück«
Nachdem SPD und Grüne im Dezember einer Vertragsverlängerung nicht zugestimmt haben, endete am 24. April die Amtszeit von Kulturdezernent Georg Quander. Acht Jahre hat der gebürtige Düsseldorfer die Kölner Kulturverwaltung geleitet. In seine Dienstzeit fallen die Erarbeitung eines Kulturentwicklungsplanes, wichtige Personalbesetzungen und Impulse für das Musikleben, darunter die Einrichtung des Zentrums für Alte Musik oder die Ansiedlung der Musikfabrik NRW. Für Misstöne sorgten hingegen Quanders Bewerbung als Opernintendant in Stuttgart, aber auch der quälende Streit mit Opernintendant Uwe Eric Laufenberg. Ein Abschlussgespräch mit Georg Quander über Kürzungen im Kulturetat, seinen fehlenden politischen Rückhalt und Strategien, trotzdem Entscheidungen durchzusetzen.
Herr Quander, nach acht Jahren endet ihre Amtszeit als Kulturdezernent. Was bereuen Sie?
Grundsätzlich hätte ich in meiner Amtszeit nichts anders gemacht. Ich sehe nicht, wie ich sie mit einer anderen Herangehensweise erfolgreicher hätte gestalten können.
Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Das sind vier Themen. Wir haben einen Kulturentwicklungsplan in einem partizipativen Prozess mit der Stadtgesellschaft, der Künstlerschaft, den städtischen Kulturinstitutionen und der Politik erarbeitet. Das war ein wichtiger Schritt. Damit haben wir eine Vision entwickelt, was diese Stadt braucht, um Kulturstadt zu sein. Der zweite Punkt betrifft die Verbesserung der Finanzausstattung. Als ich hierher kam, war sie mehr als mager. Wir haben die städtischen Institute zumindest auskömmlich finanziert, die Fördermittel für die freie Szene um mehr als das Zweieinhalbfache erhöht. Leider ist Situation derzeit wieder rückläufig.
Und die anderen beiden Themen?
Ich musste oder durfte bis auf vier Institutionen bei allen städtischen Einrichtungen die Leitungspositionen neu besetzen. Damit ging ein Generationswechsel bei den Theatern und Museen einher, aber auch bei der Stadtbibliothek oder beim Historischen Archiv. Es ist mir gelungen, gute Leute für Köln zu interessieren, trotz der schwierigen Rahmenbedingungen. Ich bin jetzt sehr gespannt auf den Neustart im Schauspiel mit Stefan Bachmann. Das werde ich auf jeden Fall verfolgen, wenn auch nicht mehr begleiten. Und schließlich haben wir den Investitionsstau bei der Infrastruktur in Angriff genommen und alles auf einen guten Weg gebracht. Die Bühnensanierung wurde ja in dieser Stadt seit 35 Jahren verschleppt, das Gleiche gilt für die Sanierung der Museen.
Also alles in bester Ordnung?
Es gibt schon einige Dinge, die ich unerledigt zurücklasse. Wenn wir Glück haben, sind die Bühnen 2015 saniert, die Archäologische Zone wird wahrscheinlich 2017 fertiggestellt. Bei anderen Projekten wie dem Römisch-Germanischen Museum und dem Kölnischen Stadtmuseum wurden die Wettbewerbe für die Sanierung auf die Schiene gesetzt. Das einzige, was ich in meiner Amtszeit fertig bekommen konnte, ist das Rautenstrauch-Joest-Museum und das Schnütgen-Museum. Aufgrund der zahlreichen Baumängel muss das allerdings von den Firmen noch nachgearbeitet werden. Es wäre schön, wenn das alles fertig wäre.
Und der Streit mit dem früheren Opernintendanten Laufenberg? Hätten Sie nicht entschiedener durchgreifen müssen?
In der Sache Laufenberg wollte ich schon ein halbes Jahr früher reagieren. Aber als Kulturdezernent sind Sie nicht alleiniger Herr des Verfahrens. Das Zuwarten ist mir schwer gefallen, weil die Katastrophe, auf die wir zugesteuert sind, absehbar war.
Auch als die Gelder für die Tanzgastspiele an den Bühnen gestrichen wurden, hat man Ihnen mangelndes Durchsetzungsvermögen vorgeworfen.
Dem kann ich sogar zustimmen, denn sonst hätte ich mehr erreicht. Die Kürzungen waren kein Vorschlag aus meinem Dezernat. Ich halte das vor dem Hintergrund der reichen Tanzszene und der Hochschule für Musik und Tanz für völlig falsch. Und das habe ich auch in einem Schreiben an den Oberbürgermeister im letzten Sommer kommuniziert. Nur kann ich kein Geld verteilen, das ich nicht habe. Mein Bestreben war es stets, wieder eine feste Tanzcompagnie bei den Bühnen zu installieren. Dafür muss man aber ein paar Millionen in der Hand haben.
Täuscht es oder haben sich in den vergangenen Jahren die Konflikte zwischen Kulturverwaltung und Politik verschärft?
Als ich nach Köln kam, konnte ich häufig mit den Kulturpolitikern einen parteiübergreifenden Konsens herbeiführen. Das hat sich mit den Jahren stark verändert. Immer wenn die Rahmendaten des Haushalts enger werden, verschärfen sich die Konflikte in den Parteien. Damit wurde es für mich schwieriger, auch weil ich in keinem dieser politischen Vereine beheimatet bin und deshalb keine Rückendeckung hatte. Dann wird man schnell zum Spielball politischer Interessen.
Wie äußert sich das?
Es ist ein typisches Kölner Problem oder Phänomen, dass bereits gefasste Beschlüsse plötzlich wieder infrage gestellt werden. Wir haben beispielsweise eine klare Beschlusslage für den Neubau des Historischen Archivs. Der Oberbürgermeister hat gesagt, wir realisieren das unabhängig von der Haushaltslage. Die Politik hat außerdem den Fortbestand der Kunst- und Museumsbibliothek beschlossen. Jetzt steht alles wieder auf dem Prüfstand: Ist das der richtige Standort? Können wir den nicht anders vermarkten? Das kommt mir vor wie die nachträgliche, politische Sanktionierung des Einsturzes. Nach dem Motto: Das Ding ist doch zurecht eingestürzt.
Ist das nur das typische Kölner Larifari? Oder gibt es kulturfeindliche Kräfte in den Parteien?
Es gibt Kräfte in allen Parteien, nach deren Meinung die Stadt immer noch zu viel Geld für Kultur ausgibt. Man muss sich darüber klar sein, dass die Kulturpolitiker in den eigenen Fraktionen nicht die Mehrheit haben. Meine Position ist ganz klar: Diese Stadt gibt viel zu wenig Geld für Kultur aus! Vier Prozent des gesamten städtischen Haushalts gehen an die Kultur. In Frankfurt sind es zehn Prozent. Das sind die Größenordnungen für eine Stadt, die sich kulturell angemessen behaupten will. Dafür fehlt in Köln jegliches politisches Verständnis.
Wie groß ist dann der Spielraum eines Kulturdezernenten? Welche Rolle spielt die Taktik?
Das ist immer die Frage, ob man für seine Ansichten die nötigen Mehrheiten bekommt. Die reine Sacharbeit muss auch jeden Tag gemacht werden, klar. Aber manchmal ist es so, dass man die Politik, die nicht gern geführt werden will, so beeinflusst, dass sie es nicht merkt. Das heißt, man legt ihr über Umwege eine Entscheidung nahe, die sie glauben lässt, es sei ihre eigene Entscheidung gewesen. Und manchmal trifft die Politik dann eine Entscheidung vermeintlich gegen den Willen des Dezernenten — am Ende ist es aber genau die Entscheidung, die er haben wollte.