Hausherr im zukünftigen Epizentrum — Bezirksbürgermeister Josef Wirges, Foto: Manfred Wegener

Mehr Macht, mehr Geld

Die Kölner Bezirksver­tretungen wollen endlich mitbestimmen

Für Josef Wirges gehört dieser Kampf dazu. »Unsere Rechte als Bezirksvertreter beschäftigen mich, seit ich vor 16 Jahren Bezirksbürgermeister wurde«, sagt der Ehrenfelder SPD-Politiker. »Was nützen uns die besten Beschlüsse, wenn andere über die Umsetzung entscheiden?« Nun gehen Wirges und seine Kollegen aus den neun Kölner Bezirken in die Offensive: In einem Ratsantrag fordern sie eine erhebliche Ausweitung ihrer Kompetenzen und eine Erhöhung der finanziellen Mittel. Wirges glaubt, dass die Entscheidung darüber Signalwirkung für Kommunen in ganz NRW haben wird: »Das verändert die politische Landschaft landesweit.«

 

Seit 1975 gibt es in allen größeren Städten in NRW Stadtteilparlamente. Deren Befugnisse werden durch die Gemeindeordnung (GO) NRW und die Zuständigkeitsordnung der Stadt geregelt. Laut GO ist die Bezirksvertretung für sämtliche Maßnahmen im Bezirk verantwortlich, von der Ausstattung von Schulen und Sportstätten über Grünpflege bis zum Ausbau von Straßen, wenn die Tragweite »nicht wesentlich über den Stadtbezirk hinausgeht«. Ob letzteres zutrifft und somit der Rat und die städtischen Fachausschüsse zuständig sind, bestimmt bislang die Verwaltung. Auch finanziell sitzen die Stadtteilparlamente an kurzen Hebeln: Alleine entscheiden dürfen sie nur über die sogenannten bezirksorientierten Mittel. 2013 sind das eine halbe Million Euro für alle Bezirke zusammen, was 0,4 Prozent des Haushaltsetats entspricht.

 

Der aktuelle Vorstoß der Stadtteilpolitiker resultiert aus einer Ende 2012 von der Verwaltung eingebrachten Vorlage zur Änderung der Zuständigkeitsordnung. Hauptstreitpunkt: Die so genannte »Bagatellgrenze« sollte von 20.000 auf 50.000 Euro angehoben werden, so dass die Verwaltung die Stadtteilparlamente bei Entscheidungen bis 50.000 Euro nicht mehr beteiligen muss. Die Bezirksvertreter waren empört — und ließen ein Rechtsgutachten erstellen. Der pensionierte Verfassungsrechtler Ursus Fuhrmann stellte darin fest, dass die durch die Gemeindeordnung garantierten Rechte der Bezirksvertretungen durch die bestehende Zuständigkeitsordnung ohnehin schon beschnitten werden. Sein Fazit: Die Stadtteilparlamente sollten eher mehr Kompetenzen haben als weniger. Auch der Verwaltung wurde das Gutachten vorgelegt, die Vorlage zur Neufassung der Zuständigkeitsordnung wurde daraufhin erst einmal zurückgezogen. Doch Wirges und Co. wollen mehr. Ende April brachten sie einen Dringlichkeitsantrag in alle Bezirksvertretungen Kölns ein. Ihre Forderungen für die Neufassung der Zuständigkeitsordnung lauten: Die »Bagatellgrenze« soll bei 20.000 Euro bleiben, zudem die bezirksorientierten Mittel erhöht werden. »Wir müssen hinreichend am Gesamtetat beteiligt werden«, fordert ­Wirges. Vor allem aber sollen die Stadtteilparlamente mehr entscheiden. ­Wirges und sein Nippeser Kollege Bernd Schößler nennen exemplarisch Sportplätze und Schulen, auch in punkto Verkehr sei die Verschiebung auf die lokale Ebene sinnvoll. »Radwege sind nie bezirksübergreifend«, gibt Wirges ein Beispiel.

 

Für ihn ist vor allem die politische Dimension der angestrebten Veränderungen wichtig. »Die Be­zirksvertretungen sind auch eingerichtet worden, um mehr Bürgernähe zu gewährleisten. Da müssen wir hinkommen«, sagt Wirges. Als Beispiel nennt er die Bürgerbeteiligung. Bislang bestimmt stets der zuständige Ausschuss da­rüber, ob es einen Aushang, eine Informationsveranstaltung oder eine vertiefte Beteiligung mit Work­shops gibt, wie etwa beim Helios-Gelände. »Es muss klar sein, dass wir die Modelle der Bürgerbeteiligung festlegen, weil wir näher dran sind und die Bedürfnisse besser kennen.« Schößler sieht das ähnlich: »Örtliche Begebenheiten werden von Rats­mitgliedern oft nicht berücksichtigt.«

 

Bis zur Sommerpause will man dem Rat den Antrag  vorlegen. Pi­kant könnte dabei sein, dass die Ratsmitglieder über eine Beschneidung ihrer Rechte abstimmen sollen, denn die Kompetenzen der einzelnen Ausschüsse sollen deutlich eingeschränkt werden. »Klar, das wird manche im Rat stören«, weiß auch Wirges. »Es wird eine Machtverschiebung stattfinden. Das Epizentrum ist nicht mehr im Rathaus in der Innenstadt, sondern in den jeweiligen Bezirksrathäusern«, sagt er.

 

Auf der anderen Seite bedeuteten die Änderungen auch eine Arbeitserleichterung für die Ratsmitglieder. »Dann können sich die Politiker im Rat und den Ausschüssen auf die grundsätzlichen Fragen konzentrieren und müssen sich nicht mit Kleinigkeiten befassen. Ich traue mir ja auch nicht zu, über Spielplätze in Porz-Grengel zu diskutieren«, sagt Wirges.

 

Dass sie mit ihrem Vorstoß Er­folg haben, da sind sich die Be­zirksvertreter sicher. »Das ist ja kein Wunschkonzert, wir fordern nur bestehendes Recht ein«, sagt Schößler. Wirges geht einen Schritt weiter: »Wir werden Recht bekommen. Wenn es sein muß, vor Gericht.«