»Ich hatte das Glück, die Filmkunststadt Köln noch zu erleben«
SR: Warum eine KunstFilmBiennale, und warum in Köln?
HPS: Eine KunstFilmBiennale, weil heute so stark wie seit den 60er Jahren nicht mehr Brücken geschlagen werden zwischen bildender Kunst und Film und immer mehr Künstler den Film benutzen, während auf der anderen Seite weiterhin Kinofilme über bildende Künstler gedreht werden und durchaus Publikumserfolg haben. Ich glaube, dass die Beziehung von Kunst und Film zur Zeit einer der wichtigsten Trends ist – in der Kunstszene und in der Kinoszene. Köln versteht sich als Medienstadt, als Kunststadt, Köln hat eine Tradition seit den X-Screen-Projektionen, den Ausstellungen im Kölnischen Kunstverein und der Kunsthalle, die in den 70ern erstmals den Dialog von bildender Kunst und Experimentalfilm untersucht haben. Und ich glaube, dass in Köln zur Zeit eine Neugierde da ist und eine Bereitschaft auch der offiziellen Stellen: die Stadt Köln, die SK-Stiftung, das Museum Ludwig, gleichzeitig in Düsseldorf die NRW-Stiftung Kunst und Kultur – alle waren der Überzeugung, dass jetzt der Moment ist, in diesem Bereich was zu machen.
Nun könnte man ja auch sagen, dass diese Tradition in Köln abgerissen ist: die Cinemathek ist 2001 geschlossen worden, Programmkinos fehlen, Köln ist in Deutschland eine der Städte mit der schwächsten Kinokultur, das ist nun mal die Wahrheit. Ist Köln überhaupt eine Filmstadt?
Deswegen sagen die Kölner ja immer, sie wären Medienstadt, damit umschiffen sie diese Klippe der klaren Aussage »Filmstadt«. Ich glaube auch nicht, dass Köln wirklich eine Filmstadt ist. Ich glaube aber, dass durchaus eine Malaise in den Köpfen der Verantwortlichen existiert: dass es das Broadway nicht mehr gibt, dass die ehemalige Cinemathek im Museum Ludwig jetzt immer noch nicht bespielt wird, dass Konzepte fehlen und Abspielplätze, das heißt Programmkinos; dass es im Gegensatz zu Berlin, Frankfurt oder München kein Filmmuseum gibt, wo Serien und Reihen systematisch aufgebaut werden und auch Filmgeschichte gezeigt wird.
Aber schon in den 80er Jahren gab es den Kunstfilm in Köln nur noch im WDR.
Das ist richtig. Ich hatte das Glück, dass ich eben die Hein- und Herzogenrath-Ära (siehe Artikel) noch mitbekommen habe. Danach gab es ein großes Loch. Das hatte, glaube ich, auch damit zu tun, dass man auf einmal mit viel Geld in die mediale Zukunft blicken wollte und davon träumte, eben Kino- und Film- und Fernsehstandort par excellence zu werden und darüber alles vergessen hat, was eigentlich einen höheren Anspruch hat als nur das Kommerzielle. Ich verstehe unsere Veranstaltung als so eine Initialzündung: Ich könnte mir vorstellen, dass es wirklich zu Konsequenzen kommt, dass tatsächlich auch in diesem Kino im Museum Ludwig, das es nun mal gibt und das toll ist, systematisch die Geschichte des Films als Film aufgearbeitet werden könnte.
Sie haben ja in ihrem Programm eher bildende Künstler und nicht Experimentalfilmer. Ist das dezidiert so, dass man die Gegenrichtung, den Weg des Films zur Kunst, nicht verfolgen will?
Ich möchte alle Berührungspunkte zwischen bildender Kunst und Film vorstellen. Das diesjährige Programm versucht, die verschiedenen programmatischen Bereiche anzureißen: Künstlerfilm, Dokumentarfilm und Erzählkino. Es ist eher ein demonstratives Programm. Natürlich geht das Thema weit darüber hinaus, weil ich finde, dass sich heute die Grenzen zwischen Experimentalfilm und Film von bildenden Künstlern verwischen. Ich glaube, zu Anfang des 21. Jahrhunderts erleben wir eine Zeit, in der diese Grenzen zwischen Experimentalfilm, Künstlerfilm, narrativem Film und Dokumentarfilm wieder verschmelzen. Das Ganze wird eigentlich jetzt wieder zu einem Ganzen – und das ist unser Thema.
Sie ziehen trotzdem eine klare Grenze, nämlich die zwischen Film und Video. Ist es nicht heute ganz schwierig, die aufrecht zu erhalten? Wenn jemand wie Steve McQueen einen »Film-Look« annimmt und Videoprojektionen in dunklen kinoähnlichen Räumen mit Bestuhlung zeigt, also im Museum ein Kino baut?
Das Wort »Video« hat zwei Übersetzungen: Einmal ist Video rein technologisch ein Medium, ein elektronisches Medium im Vergleich zum fotomechanischen Film, oder heute eben auch ein digitales. Das zweite ist eine Video-Ästhetik, wir reden über Video-Kunst. Ich glaube, dass das rein technologische Medium Video, was lange Zeit sehr wichtig war auch in der Kunstszene, heute ein Medium unter vielen ist, und das es völlig unwichtig ist für ein Produkt, ob es in DVD oder in Film projiziert wird, es fällt alles in unseren Bereich mit hinein. Das zweite ist die klassische Videokunst, und die klassische Videokunst ist nicht unser Thema, weil sie heute weitergeführt sehr viel mit Installationen operiert.
Es gibt bei Ihnen ein Genre, das manche Leute für das Gegenteil von Kunst halten, nämlich den Spielfilm über bildende Künstler. In dem Bereich gibt es ja wirklich Beispiele, wo der Kitsch anfängt. Eine Fiktionalisierung eines Künstlerlebens – wo ist denn da die Anbindung?
Es gibt im Bereich Kino zwei Arten von Filmen, die mich interessieren: Einmal interessiert mich, warum Hollywood weiter Künstlerbiografien mit viel Geld verfilmt – was ist eigentlich die Attraktion des Künstlerlebens, was ist so romantisch, was ist so heroisch, warum werden mehr oder weniger nur Malerleben verfilmt? Weil der Maler allein ist im Atelier vor seiner Leinwand? Das gilt auch für Bildhauer, trotzdem kommen Bildhauer kaum vor. Die Künstlerbiografie ist ein Genre, das teilweise schlechte Resultate gebracht hat, der aber trotzdem für mich symptomatisch ist für den Umgang der Gesellschaft und der Kultur mit der bildenden Kunst. Als zweites interessiert mich der Versuch, innerhalb des Kinos das Medium Film so zu erneuern, dass sich wieder Berührungspunkte mit der Kunst ergeben.
Und besonders spannend finde ich, wenn es Überschneidungen bei bestimmten Filmemachern gibt. Philipp Haas, von dem wir jetzt eine Mini-Retrospektiven haben, hat ein Dutzend hervorragender Dokumentarfilme über bildende Kunst gemacht, und er hat mit Bildenden Künstlern wie Gilbert und George zusammengearbeitet und praktisch für diese die Kamera gehalten. Derek Jarman ist vielleicht die Inkarnation von jemandem, der die Bereiche zwischen beiden abdeckt und gerade in seiner Caravaggio-Biografie versucht hat, einerseits zu heroisieren und andererseits dem experimentellen Ansatz auch innerhalb des Erzählkinos treu zu bleiben.
Welche Größe soll das Festival zukünftig haben, damit man eines Tages mal sagen kann, das ist jetzt wirklich der Ort, wo man sich eine Überblick verschaffen kann? Dauert das zehn Tage, soll das eine halbe Million kosten?
Warum fragen Sie mich nicht direkt, wie ich mir die Zukunft vorstelle – das ist eine schwierige Frage. Ich glaube es gibt genug Nachholbedarf, um ohne weiteres das Kino im Museum Ludwig einen ganzen Monat zu bespielen. Die KunstFilmBiennale muss aber konzentrieren, um eine Aufmerksamkeit zu erzeugen – danach sollten andere Institutionen oder Events eine Treue herstellen zum Publikum, eine Regelmäßigkeit, damit es wieder zu dieser Programmierung kommt, die eigentlich zur Bildung des Publikums und zur Museenlandschaft ihr Scherflein beiträgt. Wichtig ist mir aber auch, dass wir für Künstler und Filmemacher eine Art Treffpunkt werden, wo man sich austauscht und wo auch der Bereich der Förderung oder des Logistischen stattfindet.
Wird die Kunsthochschule für Medien ein Partner sein?
Jetzt im Augenblick ist es keine aktive Partnerschaft, aber es wird nicht nur einen Gedanken- und Publikumsaustausch geben, sondern auch programmatische Zusammenarbeitet.
Beim Künstlerfilm ist es derzeit so, dass in dem Moment, wo große Galerien als Produzenten auftreten – etwa bei Mathew Barney und Shirin Neshat – die Abspielkosten enorm in die Höhe gehen. Ist das für Sie auch schon ein Problem geworden?
In diesem ersten Programm zum Glück noch nicht, einfach weil ich durch meine langjährige Tätigkeit mit vielen Künstlern befreundet bin. Aber ich glaube, dass das ein spannendes Thema ist: Wie werden Künstler-Filme eigentlich verwertet? Die Galerien stecken Geld rein, produzieren, die Filme selber werden in sehr teuren Editionen verkauft, oder man versucht eben über hohe Leihgebüren die Kosten wieder reinzuholen. Und das ist keinesfalls eine Lösung, weil es ja um fotomechanische Wiedergabe geht – es gibt keine Unikate, sondern es geht gerade darum, dass die Filme gezeigt werden. Ich habe ja absichtlich auch die Anbindung an die Art Cologne gesucht: Ich glaube, dass das eine neue Form von Kunstproduktion ist und dass viele noch gar nicht wissen, inklusive der Künstler und der Galerien, wie sie eigentlich damit umgehen können.
Heinz Peter Schwerfel (*1954) ist Filmemacher und Journalist und lebt in Köln und Paris.
Letzte Buchveröffentlichungen: »Kunst-Skandale« und als Herausgeber »Kunst nach Ground Zero«. Seit 1985 Regisseur und Produzent, u. a. Filme über Georg Baselitz, Jannis Kounnellis und Bruce Naumann.