Lahmer Ritt

»Der Schimmelreiter« in der Inszenierung von Christina Vayhinger hat schöne Bilder, aber wenig zu sagen

 

Das Vogelgezwitscher von draußen fügt sich in die Klangkulisse: Meeresrauschen gemischt mit seicht orchestraler Filmmusik. Die Ruhe vor dem Sturm. Die Zuschauer, bei denen der klassische Bildungsstoff »Der Schimmelreiter« ebenso auf dem Stundenplan stand wie bei der anwesenden Schulklasse, wissen, was kommt. Die Frage, ob Theodor Storm all die Erneuerer und Ewig-Gestrigen Lügen straft, weil die Natur am Ende macht, was sie will.

 

Die Inszenierung von Christina Vayhinger setzt auf erzählerisches, anschauliches Theater. So einfach und klar wie das Bühnenbild, ein sich mitten auf der Bühne aufgetürmter übergroßer Deich, etabliert sie die Geschichte. Das Menetekel des Untergangs ist als Fell­lappen über der Schulter seines Reiters stets präsent. Drei Schauspieler markieren die Eckpfeiler: Haien, der vor allem rechnen und denken kann, seine Frau Elke, dank deren Erbe er Deichgraf wird und sein Gegenspieler: der Tradi­tionalist Ole Peters. Ihre Welt ist eingetaucht in düsteren nordfrie­sischen Nebel, das Braun der Leinenkleider- und Säcke bleibt die einzige Farbe. Immer wieder wird die triste Atmosphäre durch Einspieler aus dem Off verstärkt. Naiver Aberglaube lässt das Leben stagnieren.

 

Einzig Haien widersetzt sich dem Schicksal. Mit technischen Innovationen will er den Deichbau seines Dorfes revolutionieren, ­um das Land gegen die Sturmfluten zu schützen. Doch er unterschätzt den Einfluss der Verfechter des Alten und der Magie. Im Finale erkrankt Hain an seinem Fortschrittswahn und geht in der Flut unter.

 

Nikolai Knackmuss gibt seinen Hauke vorerst als schüchtern nachdenklichen Antihelden, verwandelt den Erneuerer dann in einen größenwahnsinnigen und machtgeilen Tyrann. Carlos Garcia Piedras als Ole ist ein stoischer Brachialtyp, der das Misstrauen im Dorf ordentlich anheizt. Daneben bleibt die Figur der Elke blass, auch wenn Kathrin Marder sie souverän spielt. Warum sich die junge, kluge Frau ihrem Schicksal als treusorgende Mutter einfach ergibt, wird nicht ergründet.

 

Vayhinger lässt die klare storm­sche Sprache für sich sprechen und inszeniert schöne Bilder – für einen Ausflug mit der Deutschklasse. Dem Abend fehlt es an Bedeutung, an aktuellem Diskurs, obwohl der Stoff eine Steilvorlage für die Auseinandersetzung mit handgemachten Katastrophen durch die kapitalistische Vereinahmung von Natur bietet. Wir sitzen alle in einem Boot: Die Fischernetze, die von den Wänden bis in die Zuschauerreihen reichen, helfen da aber auch nicht mehr viel.