40.000 Euro Umzugshilfe vom Investor: der Rathenauplatz ist begehrt, Foto: Manfred Wegener

Bürogebäude zu Wohnungen

Es gibt zu wenig günstigen Wohnraum in Köln. Die neugegründete Initiative »Recht auf Stadt« will das ändern

Die Zahlen sprechen eine klare Spra­­che: Fast die Hälfte aller Kölner hat Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein. Doch der Anteil von Sozialwohnungen liegt bei 7,7 Prozent. Lediglich 210 neue Sozialwohnungen wurden vergangenes Jahr gebaut — mindestens tausend sind jährlich nötig. Den Einzug in Neubau-Siedlungen wie am ehemaligen Kinderheim Sülz oder den Vorgebirgsgärten in Bayenthal können sich nur die leisten, die gut verdienen.

 

Immer häufiger werden Mieter zudem aus ihren Wohnungen gedrängt. Sie müssen vor den Mieterhöhungen kapitulieren, die eine Sanierung nach sich zieht. Soziologen wie der Kölner Professor ­Jürgen Friedrichs stellen diese Gentrifizierung nicht nur in der Südstadt, dem Belgischen Viertel oder Neuehrenfeld fest, sondern auch in Kalk und Deutz.

 

Zurzeit schlägt die Bürgergemeinschaft Rathenauplatz Alarm. »Die Mieter hier werden verdrängt«, sagt Sprecher Klaus Adrian. Er berichtet, dass die Wohnungsmieten nach Sanierungen auf bis zu 13 Euro pro Quadratmeter gestiegen sind. »Wer nicht raus will, dem wird Geld geboten«, so Adrian. Investoren haben Mietern der Meister-Gerhard-Straße 2 bis zu 25.000 Euro für einen Auszug geboten, am Rathenauplatz 9 sogar bis zu 40.000 Euro. Dort fühlt man sich von der Politik im Stich gelassen. »Die Politiker denken nur über Neubauten nach, aber es geht auch um den Bestand«, kritisiert Adrian.

 

Während in anderen großen Städten wie Hamburg und Berlin Initiativen gegen Gentrifizierung, Luxus-Neubauten und fehlende Sozialwohnungen demonstrieren, ist es in Köln bislang ruhig geblieben. Wo sich die Bürger wehrten, blieb der Protest auf das Veedel beschränkt. Etwa in Ehrenfeld, wo eine Shopping Mall und Luxuswohnungen errichtet werden sollten. Oder in Bayenthal, wo auf einer Brache statt bezahlbarer Wohnungen ein neues Justizzentrum und Büros geplant sind.

 

Jetzt aber haben  sich unter dem Schlagwort »Recht auf Stadt« mehrere Initiativen zusammengeschlossen. Vom anti-bürgerlichen Autonomen Zentrum und den »Kölner Erwerbslosen in Aktion« (KEA) über »Köln kann auch anders« bis zu der Initiative, die eine Shopping Mall auf dem Helios-Gelände in Ehrenfeld verhindern will. Ebenso breit gefächert sind die wohnungspolitischen Themen, die hier verhandelt werden: Angehörige der Mittelschicht klagen über Luxussanierungen und horrende Mieterhöhungen, andere lenken den Blick auf die Situation der ALG-II-Bezieher und Flüchtlinge in Köln.

 

Allerdings verliert gerade der linke Protest mitunter den Überblick. So empörte man sich in Ehrenfeld darüber, dass für den Bau von vergleichsweise günstigen GAG-Wohnungen zwei Diskotheken umziehen mussten. Brachen, auf denen sich Off-Kultur angesiedelt hat, sollen nach Meinung vieler für Wohnungsbau tabu sein. Beim Protest gegen ein Einkaufszentrum auf dem Ehrenfelder Helios-Gelände fand der Vorschlag, dort lediglich einen großen Park zu errichten, viel Zustimmung. Vieles spielt beim Protest also zusammen: Die Forderung nach nicht-kommerziellen Freiräumen, nach mehr Grün in der Stadt, nach bezahlbarem Wohnraum. All das beansprucht Fläche — doch wo ist die noch zu finden, wenn die Vororte überwiegend mit Eigenheimen zersiedelt werden?

 

Die Linke im Rat der Stadt fordert, Gewerbeflächen in Wohnflächen umzuwidmen. Mittlerweile ist selbst die CDU nicht ganz abgeneigt. Köln müsste dafür mit den Nachbarkommunen zusammenarbeiten. Über Absichtserklärungen ist man bislang allerdings nicht hinausgekommen. Selbst wenn die Wohnungen gebaut würden: Wie sähen sie aus? Architekten warnen davor, die Fehler aus der Vergangenheit zu wiederholen, als man möglichst schnell Siedlungen für möglichst viele Menschen baute. Das aber verschandelt nicht nur die Viertel, es senkt auch die Lebensqualität und führte bislang häufig zu sozialen Konflikten.

 

Die rot-grüne Koalition im Rathaus hat vor gut einem Jahr ein Programm zur Förderung des Wohnungsbaus aufgelegt — bislang ohne spürbaren Effekt. Nach Meinung der CDU soll das Programm ersetzt werden. Um Investoren zu finden, die in den kommenden Jahren jeweils tausend neue Sozialwohnungen bauen, will sie ihnen zehn Jahre lang eine finanzielle Förderung gewähren. Die rot-grüne Landesregierung hatte erst vor kurzem die zulässige Obergrenze für sozialen Wohnraum auf 6,25 Euro Miete pro Quadratmeter erhöht. Aber anscheinend sind derzeit alle Varianten, finanzielle Anreize für den Bau von Sozialwohnungen zu schaffen, für Investoren nicht stark genug.  

 

Immerhin wollen SPD und Grüne in Köln jetzt ein »kooperatives Baulandmodell« eingeführen. Die Idee stammt aus München, wo Investoren sich verpflichten müssen, beim Wohnungsbau mindestens dreißig Prozent Sozialwohnungen zu schaffen. Jörg Detjen, Fraktionschef der Linken im Rat, unterstützt das. Aber er gibt zu bedenken, dass das Modell in München durch zahlreiche Ausnahmeregelungen seine Wirkung verliere: Tatsächlich entstünden nur zehn Prozent Sozialwohnungen, so Detjen.

 

Im Rat der Stadt hat die Linksfraktion jetzt einen Vorstoß unternommen. »Wir wollen bislang unbeachtete Möglichkeiten nutzen, die das Baugesetzbuch bereithält«, erklärt Michael Weisenstein. Mit der sogenannten Milieuschutzsatzung könnte die Stadt in bestimmten Teilen eines Viertels Luxussanierungen verbieten, ebenso die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. In Berlin wird dies gerade angewandt, um Gentrifizierung einzudämmen.

 

»In Köln wurde dieses Instrument bislang nur Mitte der 90er Jahre in der Stegerwaldsiedlung angewandt, um die Verdrängung von Mietern durch die nahe Messe zu verhindern«, so Weisenstein.

 

Auch ein städtisches Vorkaufsrecht hält er für eine Möglichkeit. Die Stadt könnte sich alle Kaufverträge vorlegen lassen und gegebenenfalls selbst in den Kauf einsteigen. Davon abgesehen, dass beide Strategien mitunter zu aufwändigen juristischen Auseinandersetzungen führen könnten, müssten für beide Maßnahmen neue Stellen in der Stadtverwaltung geschaffen werden. Das wiederum würde den städtischen Haushalt belasten.

 

Die Unterstützer von »Recht auf Stadt« haben noch eine weitere Idee, wie Köln an mehr Wohnraum gelangen könnte. Sie fordern, in ungenutzten Bürogebäuden günstige Wohnungen zu schaffen. Bei den etablierten Parteien findet man das naiv. Solche Umwandlungen sind aufwändig und teuer, hinzu kommen baurechtliche Probleme. Dennoch wird man über intelligente Ideen für Zwischennutzungen nachdenken müssen. Es mag einerseits wirtschaftspolitisch klug sein, Büroflächen vorrangig zu behandeln. Aber das ist kaum zu vermitteln, wenn gleichzeitig die Kölner keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden. »Recht auf Stadt« mag zunächst nur ein Sammelbecken für diffusen Unmut sein. Wenn das Bündnis aber nicht nur pauschale Kritik äußert, sondern durchdachte Vorschläge macht, wird die Initiative nicht mehr so leicht zu übergehen sein.