Generation ohne X
Schwitzen in schwarzweiß – mit einer kryptischen Jogging-Sequenz ohne Worte steigt Nicolette Krebitz in ihr Regiedebüt ein. Die Neugierde bleibt, bis der erste Satz in einer Berliner Bar fällt. Dogge (Marc Hosemann) sieht aus wie der junge Fassbinder, redet aber wie Erkan. Sein Freund Oschi (Oskar Melzer) und er sind aus der Wohnung geflogen.
Berlin-Odyssee, postmodern: Die Suche nach Liebe (Oschi) und potenziellen Beischlafgelegenheiten (Dogge) führt durch Szene-Settings, leere Swimming-Pools, Pralinenläden, Plattenbauten. »Jeans« bringt den Pop mit Verspätung auf die Leinwand – seine Heroen und Schauplätze scheinen derweil zum Dekor erstarrt: Rainald Goetz gibt dem liebeshungrigen Oschi Beziehungstipps, man tänzelt durch Zweiraumwohnung und WMF, kultiviert die Langeweile, bis etwas herauskommt, das wie ein Lebensgefühl wirkt, letztlich aber nur Pose ist.
In locker gefügten Spielszenen fängt die Kamera Streiflichter ein: Club- und Klogespräche, Jeans an- und ausziehen. Derweil wirft der Video-Beamer Unterwasserwelten auf die Gesichter. So wird die spannende Frage, warum man auf einer Schallplatte immer dasselbe Stück hört oder sich wochenlang mit einem Bayrisch-Wörterbuch im Bett verkriecht, zur Selbstbespiegelung einer Generation reduziert, die sich ihr »X« auf gehöriger Distanz hält.
Stark wird der Film, wenn er unkommentiert auf das Bild setzt: Krebitz vermischt Doku- und Traumsequenzen, bunte Clipästhetik wird mit einem kühlen Blick auf die Tristesse Royal collagiert. Nur: Die Leichtigkeit des Handkamerabildes kippt dabei schnell ins Artifizielle. »Jeans« kommt betont unprätentiös daher und gefällt sich ausgerechnet in dieser Geste.
Weniger überladen inszeniert, hielte das Stil-Experiment durchaus Ansätze für einen Blick unter die Oberfläche von Phänomen und Nachwehen parat. Gleich mehrfach wird etwa die Offensichtlichkeit des Scheins durch das ganz andere Sein gebrochen: Eine Gelähmte steht auf, um ihren verhakten Rollstuhl neu auszurichten, der coole Dogge wird von harmlos-kichernden Kopftuchträgerinnen verprügelt.
Die Betonung der Physis steht im Kontrast zu den nihilistischen Figuren und legt eine Auffassung nahe, die den filmischen Text selbst als Körper inszeniert. Joggen, bis die betäubte Körperlichkeit wieder zu spüren ist, schwimmen, Schlittschuh laufen, essen, kämpfen und tanzen. Vom Krach, den man machen sollte, bevor man geht, spricht allerdings die im Koma liegende Mavie (Mavie Hörbiger) aus dem Off.
Jeans D 01, R: Nicolette Krebitz, D: Oskar Melzer, Marc Hosemann, Jana Pallaske, 80 Min. Start: 31.10.
Preview mit Regisseurin und Darstellerin: Off Broadway, 2.12., 20 Uhr.