Gefährliche Divisionen

Materialien zur Meinungsbildung

Trendforscher, das sind mir vielleicht welche! Ihre Aussagen sind entweder trivial oder nicht überprüfbar. Jetzt sagen sie: Die Menschen teilen heute lieber, statt etwas zu besitzen: Bohrmaschinen, Schrebergärten, Campingzelte. Das sei postmaterialistisch, solidarisch, ökologisch.

 

Aber nicht nur Dinge, auch In­formationen würden geteilt. Und weshalb? Na klar: wegen Internet! Hm. Es haben sich seit dem Paläolithikum einige Epochen angesammelt, fast immer frei von Internetanschluss. Trotzdem ist keine darunter, in der nicht jeder Mensch ein paar Infos gratis gestreut hätte, so­bald er dafür etwas Aufmerksamkeit erwarten durfte. Das Besondere an unserem Zeitalter ist also lediglich, dass die geteilten Informa­tionen überwiegend aus Beleidigungen, Blödel-Videos und stündlich neuen Aufrufen, Online-Petitionen zu unterzeichnen, bestehen.

 

Was die materiellen Güter betrifft, so habe ich gleichfalls Zweifel, ob es gut ist, wenn sie geteilt werden. Es bekommt diesen Gütern nicht. Beim Teilen ist entscheidend, wer und wie viele mitmachen. Einst teilte man sich in Wohn­blöcken auf einer Etage ein Klo. Vielleicht war das damals bereits postmaterialistisch. Hygienisch war es nicht. Denn beim Teilen reduziert sich die Qualität des Gegenstands rasch auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, das allgemein gerade noch erträgliche Maß. Im Klo-Beispiel bedeutet das: Sitzgelegenheit mit Loch drin. Manchen reicht das. Mir wäre es kackstreifenfrei, frühlingsfrisch und mit Toilettenpapier lieber. Und eben das sind die Probleme, wenn man etwas mit anderen teilt. Auch diesen Planeten teilen wir miteinander — entsprechend ist mittlerweile sein Zustand. Die Erde ist das Etagen-Klo der Menschheit.

 

Ansonsten bin auch ich Postmaterialist. Du sihst, wohin du sihst, nur eitelkeit auff erden. Man nimmt den tollen Parkettboden und das iPad ja nicht mit in die nächste Welt. Das Jenseits platzte vor lauter Unterhaltungselektronik aus allen Nähten. Auch die Teilchen­physiker berichten, dass Materie kein seriöser Begriff ist. Smartphone und Sportwagen bestehen bloß aus einem labilen Gewimmel von Elementarteilchen. Ich finde, dafür ist der Kram zu teuer.
Überhaupt, allein aus mathematischer Perspektive ist Privat­eigentum per se geteilt. Es kommt drauf an, was unterm Bruchstrich steht. Ein Stück Schwarzwälder Kirsch geteilt durch eins: Dann lasse ich’s mir schmecken. Geteilt durch zwei: Dann gebe ich Gesine Stabroth die Hälfte ab, samt kandiertem Steinobst obenauf, ich bin Gentleman. Aber geteilt durch null? Dann wird das schöne Torten­stück unappetitlich unlogisch, es verflüchtigt sich ins mengentheoretische Nirwana, niemand hat etwas davon. Teile ich es aber mit allen, sprich: durch unendlich, so verschwindet es ebenso, ohne dass jemand auch nur ein Krümelchen zu naschen bekäme. Diese mathematischen Katastrophen sind ein Vorgeschmack auf die realen, wenn man das Teilen nicht sorgsam zwischen 0 und ? dosiert.

 

Vieles wird schöner, wenn man es teilt: die Liebe, der Wein, ebenso Musik und Tanz. Anderes wird dadurch zerstört. Man beachte, was passiert, wenn man, sagen wir, eine Fußballübertragung teilt. Der eine klugscheißert unablässig, die andere findet eine taktisch geprägte Partie langweilig und der dritte, und das bin ich, hätte gern, dass wir jetzt bitte alle mal die Klappe halten, allen voran dieser unerträgliche Béla Réthy.

 

Die Trendforscher sollten das modische Teilen als das betrachten, was es ist: ein Krisenphänomen, das sich unter Wohlstandsbürgern ausbreitet, die ihrem Geiz den Anstrich politischer Avantgarde verleihen wollen. Die Menschen wollen Geld sparen.

 

Dies sind nun also meine Ansichten. Wenn Sie pfleglich damit umgehen, könnten wir sie teilen. Nur nicht durch Null, dann werden sie unlogisch.