Stadtführer Andreas Wilhelm, Foto: Dörthe Boxberg

Gran Turismo - »Alles so schön ruhig hier«

Interview mit dem chinesischsprachigen Reiseführer Andreas Wilhelm

Die Zahl chinesischer Touristen in Köln steigt rapide, und keine andere Nationalität gibt bei ihrem Aufenthalt so viel Geld aus. Meistens kommen sie für einen Abstecher mit eigenem Guide, einige reisen aber auch aus geschäftlichen Gründen nach Köln. Wenn der berufliche Teil aber erledigt ist und sie sich die Stadt ansehen möchten, sprechen sie meist Andreas Wilhelm an. Seit 1989 führt der studierte Übersetzer chinesische Touristen durch Köln. Er weiß, dass Chinesen sich eher für den aktuellen Mietspiegel als für die Geschichte interessieren, und dass der wohl bekannteste Kölner in China Johann Adam Schall von Bell heißt. 

 

Herr Wilhelm, was wissen chinesische Touristen über deutsche Geschichte und speziell die Kölns? In China lernt man nicht viel darüber. Im Gegensatz zu Japan, wo in der Schule schon die »Loreley« besungen wird.

 

Wohin führen Sie dann die Gäste, um ihnen diese nahe zu bringen? Meist fange ich beim Dom an und gebe eine kleine Einführung in das Christentum. Anhand der Darstellung der Dreifaltigkeit lässt sich das gut erklären. Einiges wissen sie aber schon, zum Beispiel, dass es einen katholischen und einen protestantischen Glauben gibt. Anschließend gehen wir oft zum Rhein, und dort erkläre ich, was es mit dem Strom und seinem Mythos auf sich hat, dass sich seit Jahrhunderten die Dichter und Lyriker mit ihm befassen.

 

Gibt es in Köln spezielle Plätze, die Sie zeigen? Wenn wir am Rathaus vorbei und ins Innere gehen, sind die Chinesen oft erstaunt, dass man einfach so das Haus, in dem der OB sitzt, betreten kann. In China sind Gebäude der Behörden streng bewacht. Die Karl-Marx-Plakette am Heumarkt ist ein weiterer Punkt. Außerdem zeige ich oft das Denkmal von Johan Adam Schall von Bell. Er war ein deutscher Missionar und in Peking am kaiserlichen Hof tätig, wo er unter anderem mit der Reform des chinesischen Kalenders beauftragt war. Besonders Gästen auch Peking ist der Name geläufig.

 

Interessieren sich die Chinesen also für die Geschichte? Sie interessiert mehr das Aktuelle, die gegenwärtige Gesellschaft. Häufig werde ich gefragt, warum es vormittags in der Innenstadt so ruhig sei. Das kennt man dort in den großen Städten gar nicht. Fragen drehen sich auch um die Höhe der hiesigen Mieten oder den Schulunterricht in Deutschland. Auch vom CSD haben sie schon gehört. Das westliche moderne Leben insgesamt finden die Chinesen sehr interessant; sie sind über den Zeitgeist im Bilde. Namen von bekannten Kölner Marken wie Rimowa sind ebenfalls geläufig.

 

Ein Stereotyp besagt, dass Touristen aus China immer nur Kuckucksuhren und Bierkrüge kaufen. Stimmt das? Manchmal schon, manchmal sind es aber auch Lederhosen und Dirndl. Es interessieren aber die großen Marken, die in der Kölner Innenstadt vertreten sind, die Waren sind zudem preiswerter als in China. Auf diese Kundschaft haben sich auch die Geschäfte eingestellt. Bei Louis Vuitton gibt es zum Beispiel jemanden, der Chinesisch spricht. Ebenso in vielen anderen Läden. Teure Geschenke von der Uhr über Besteck über Luxusuhren bis zum Schweizer Armeemesser sind begehrte Mitbringsel.