Die Angst vor dem »Wilden«
Schwarz sein in Deutschland heißt nicht zwangsläufig auch fremd sein. Schwarze Deutsche gibt es schon in der fünften Generation. Ihre Geschichte begann bereits vor dem Ersten Weltkrieg, als zahlreiche Afrikaner aus den Kolonien nach Europa kamen. Manche wurden als EntertainerInnen berühmt, wie Josephine Baker, die in den 20er Jahren mit ihrem Tanz und ihrem Gesang hundertausende Menschen begeisterte und als leistungsorientierte und auf Unabhängigkeit pochende Frau für viele ein Vorbild war. Viele Schwarze lebten zu dieser Zeit ein Leben als »ganz normale Leute« – so heißt ein Kapitel der Ausstellung »Besondere Kennzeichen: Neger – Schwarze im NS-Staat«, die seit dem 8. November im EL-DE-Haus zu sehen ist.
Einer größeren Anzahl schwarzer Menschen standen die Deutschen erstmals im Ersten Weltkrieg gegenüber. Im französischen Heer kämpften Afrikaner aus den Kolonien südlich der Sahara und schwarze Soldaten aus Martinique und Guadeloupe. Zusammen mit schwarzen US-Amerikanern und denen, die auf britischer und belgischer Seite kämpften, nahm schätzungsweise eine Viertelmillion schwarzer Menschen am Ersten Weltkrieg teil. Auch über diese Begegnungen an der Front und die Zeit zwischen den Kriegen gibt es in der als Wanderausstellung konzipierten Sonderschau im EL-DE-Haus einiges zu erfahren.
Es geht also bei weitem nicht nur um »Schwarze im NS-Staat«. Mit zahlreichen Dokumenten ist die Zeit des Nationalsozialismus zwar deutlicher Schwerpunkt der Ausstellung, aber Historiker und Projektleiter Peter Martin weiß, dass »Geschichte nun mal nicht in Blöcken passiert«, und hat deshalb Wert auf eine Berücksichtigung der Geschichte auch vor 1933 und nach 1945 gelegt.
Vom kurzen Afrika-Kult zur Diskriminierung
Eine Geschichte der schwarzen Deutschen, die, so Peter Martin, nicht als reine Opfergeschichte dargestellt werden soll. Doch die Schwarzen im NS-Staat gehörten, wie andere Minderheiten auch, immer wieder zu den Opfern. Galt es noch in den 20er Jahren als modern und erstrebenswert, sich mit afrikanischen Motiven zu schmücken, Louis Armstrong und Duke Ellington zu verehren, musste man kurz darauf mit ernsten Konsequenzen rechnen, wenn man zum Beispiel als LehrerIn seinen SchülerInnen beibrachte, dass »Neger auch Menschen sind«. Ödön von Horvaths Roman »Jugend ohne Gott«, in dem ein Lehrer sich mit genau dieser Aussage bei seinen SchülerInnen unbeliebt macht, war bei seinem Erscheinen 1937 längst von der Wirklichkeit überholt.
Zu dieser Zeit wurden Schwarze bereits als »minderwertige Rasse« bezeichnet, ihre Kunst »entartet« genannt und mit aufwändiger Propaganda die Angst vor den »Wilden« geschürt. Die Kinder der französischen und amerikanischen Soldaten mit deutschen Frauen aus der Zeit der Rheinlandbesetzung, die »Rheinlandbastarde«, wurden zwangssterilisiert, um eine weitere »Vernegerung der nordischen Rasse« zu verhindern.
In der zu großen Teilen von Jan Philipp Reemtsma geförderten Ausstellung gibt es neben vielen solchen Dokumenten auch kurios Anmutendes, wie etwa Gesichtsreliefbeispiele zu verschiedenen »Rassen«, gedacht für den »Rassenkunde«-Unterricht blinder Schüler. Auch aus der Zeit nach 1945 finden sich Dokumente in der Ausstellung. Unter dem Titel »Alles anders?« sind Beispiele für Rassismus und Antirassismus aus der jüngeren Vergangenheit bis heute versammelt.
Keine Beteiligung schwarzer Historiker
Schon im Vorfeld der Ausstellung gab es Streit. Die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V (ISD) kritisiert nicht nur den Titel der Ausstellung (sie sieht in der Verwendung des Wortes »Neger« eine »Wiederholung der nationalsozialistischen, rassistischen Sprache«), sondern auch, dass offenbar nur weiße Historiker daran mitgearbeitet haben. »Es ist in der Entwicklungsphase der Ausstellung niemand an uns herangetreten«, kommentiert Peter Martin den Vorwurf. Einig ist man sich aber darüber, dass die Ausstellung über »Schwarze im NS-Staat« dieses Thema erstmals in Dokumenten einer größeren Öffentlichkeit zugängig macht. Dass nun auch die AutorInnen der Ausstellung mit dieser nicht mehr einverstanden sind, ist der angeblich schlampigen Arbeit des für die Ausstellungsarchitektur verantwortlichen Designers geschuldet, so ist in einer zu Austellungsbeginn noch rasch veröffentlichten Erklärung zu lesen. Und in der Tat: Die Präsentation hat den Charme einer umgefallenen Pinnwand. Aber daran kann man ja noch arbeiten.