Denkzettel für Bietmann
\\\"Ich habe festzustellen, dass der Oberbürgermeister und die Koalition für eine wichtige Vorlage und für eine wichtige politische Initiative keine politische Mehrheit im Rat der Stadt Köln haben.\\\" CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann bemühte sich nach der CDU/FDP-Abstimmungsniederlage zur Privatisierung der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GAG und Grubo am 13. Januar Haltung zu bewahren. Kein Wunder, hatte Bietmann doch in dieser Sondersitzung zur Haushaltssituation bereits das zweite Debakel innerhalb von nur vier Wochen erlebt.
Gegenstimmen aus den eigenen Reihen
Wie schon am 19. Dezember gab es bei der geheimen Abstimmung Abweichler in Reihen von CDU und FDP. Das verhinderte schließlich den Verkauf der städtischen GAG- und Grubo-Anteile an den Investor Terra Firma Capital Partners. Die Staatsanwaltschaft beschäftigt in diesem Zusammenhang zurzeit außerdem die Aussage von CDU-Ratsherr Artur Tybussek. Der vor zehn Jahren als »Jungfrau Artura« im Karnevals-Dreigestirn engagierte Politiker erzählte der Kölnischen Rundschau von einem angeblichen Bestechungsversuch des Bauunternehmers und ehemaligen Karnevalsprinzen Thomas Brauckmann, um den GAG-Deal zu verhindern.
Debakel für den städtischen Haushalt
Die 420 Millionen Euro, die der Verkauf an Terra Firma bringen sollte, fehlen jetzt jedenfalls. Die Summe hatte Stadtkämmerer Peter Michael Soénius, der eine imposante Deckungslücke von rund 260 Millionen Euro für 2002 und etwa 300 Millionen Euro für das laufende Jahr verkünden musste, schon voreilig eingeplant. Die kurzfristige Aufbesserung der städtischen Finanzen sollte mit dem Verlust des kommunalen Einflusses in der Wohnungspolitik erkauft werden. Terra Firma hätte insgesamt 12,5 Prozent des Mietwohnungsbestandes in Köln besessen, in einzelnen Stadtteilen über 50 Prozent. Für Jörg Detjen (PDS) eigentlich »ein Fall für das Bundeskartellamt«.
Bietmann lud vor der Abstimmung zu Einzelgesprächen
In der emotional aufgeladenen Debatte scheute sich Bietmann nicht, zwar einerseits die »historische Dimension« der Entscheidung zu betonen, andererseits jedoch die Privatisierung zu verniedlichen, weil »es hier nicht darum geht, einzelne Wohnungen zu verkaufen, sondern dass wir heute Gesellschaftsanteile, sprich: Aktien, verkaufen«. Sicherheitshalber hatte er den Druck auf die FraktionskollegInnen erhöht: Es gab »Einzelgespräche« mit den CDU-VertreterInnen im Rat, und Oberbürgermeister Schramma (CDU) bettelte gar in einem Brief an die Ratsmitglieder aller Fraktionen um Zustimmung. Ohne Erfolg.
Und so ist die CDU/FDP-Niederlage vor allem auch ein Denkzettel für Bietmann, der mittlerweile für die CDU im Bundestag sitzt, zugleich aber auch am Kölner Fraktionsvorsitz klebt. Mehr als wahrscheinlich, dass CDU-Ratsmitglieder mit ihrem Votum gegen die GAG-Privatisierung auch Bietmanns Ratskarriere stoppen wollten. Doch der verschwendete an Rücktritt keinen Gedanken. Für den Fall der erneuten Abstimmungsniederlage hatte er vorgesorgt: »Im Vorfeld der heutigen Entscheidung hat mich die Fraktion Bündnis 90/ Grüne wissen lassen, dass sie zur Aufnahme von ernsthaften und ehrlichen Kooperations- und Koalitionsverhandlungen bereit ist«, erklärte er anschließend.
Schwarz-Grün: Keine Überraschung für die SPD
Für den SPD-Fraktionsvorsitzenden Martin Börschel keine Überraschung. »Eine Annäherung von CDU und Grünen zeichnete sich bereits ab«, so Börschel nach der Sitzung. Teile seiner Fraktion aber waren verdutzt. Nicht zuletzt, weil ausgerechnet die nach den Kommunalwahlen 1999 eingegangene Kooperation von CDU und Grünen an den Privatisierungsplänen der CDU zerbrochen war: Die Grünen, die den kommunalen Einfluss in der Wohnungspolitik unbedingt erhalten wollen, hatten 2001 ein Bürgerbegehren gegen die GAG/Grubo-Pläne von CDU und FDP unterstützt, das trotz über 55.000 gültiger Unterschriften aus formalen Gründen abgebügelt wurde.
Zuletzt hatten die Grünen den Verkauf der städtischen Anteile an GAG und Grubo an die Stadtwerke Köln GmbH (SWK) unter den derzeitigen Beteiligungsverhältnissen der Stadtsparkasse Köln an GAG und Grubo für 360 Mio. Euro favorisiert. Nach der Abstimmungsniederlage spielte auch die CDU mit dem Gedanken, die Aktien auf die Stadtwerke zu übertragen – allerdings mit »starker Beteiligung privater Investoren«.
Komfortable Mehrheit von 22 Stimmen
Beide Seiten kündigten »schwierige Verhandlungen« an. Doch keine Woche nach der Sondersitzung des Rates haben sich CDU und Grüne bereits auf eine Koalition geeinigt, die im Rat eine komfortable Mehrheit von 22 Stimmen besitzt. Neue Perspektiven eröffnet das auch in anderen kommunalpolitischen Bereichen. So ist etwa eine Änderung der derzeitigen Abschreckungspolitik der CDU gegen-über Flüchtlingen in Sicht. »Ich gehe fest davon aus, dass es nicht ohne Folgen bleiben wird«, kündigte jedenfalls Grünen-Fraktionschefin Barbara Moritz an. Zunächst aber geht es darum, ein Haushaltssicherungskonzept, also den Verlust der kommunalen Eigenständigkeit bei den Finanzen, zu verhindern. Ungeachtet dessen sind bereits drastische Einschnitte bei den städtischen Leistungen angekündigt.