EINKEHRSCHWUNG INS EDELWEISS
Ein wenig seltsam fühle ich mich schon, als ich mit Skistiefeln und Skiern bepackt, die Pudelmütze tief in die Stirn gezogen, am Kölner Hauptbahnhof stehe und nicht etwa in den ICE nach Garmisch einsteige, sondern in die S-Bahn nach Neuss. Früher mussten Kölner Wintersportfreunde zum Wedeln zumindest bis ins Sauerland fahren, doch seit die Allrounder Winter World in Neuss vor rund zwei Jahren öffnete, liegt der Skihang nun fast vor der Haustür. Über 450.000 Menschen kamen letztes Jahr
in die »erste Wintersporthalle Deutschlands«, die an 365 Tagen im Jahr zum Skifahren, Snowboarden und Rodeln einlädt und deshalb von den Betreibern ein wenig großspurig als »Neusser Gletscher« bezeichnet wird.
Skisprungschanze mit Blechdach
Von außen erinnert der Gletscher, eine gut 300 Meter lange und 60 Meter breite, futuristisch gestaltete Halle, die man auf Metallstelzen mitten in die rheinische Tiefebene klotzte, an eine Skisprungschanze mit Blechdach. Drinnen, im Eingangsbereich, sieht es aus wie in einem stinknormalen Verbrauchermarkt. Oder wie bei Ikea. Ein Reisebüro lockt Skifahrer, die in der Halle auf den Geschmack gekommen sind, ins Salzburger Land. Der »Pro-Shop« bietet alles für den Wintersport. Nur keine Sonnencreme. Trotz der rustikalen Holztafeln, die den Besucher mit einem urigen »Grüß Gott« willkommen heißen, stellt sich die von den Machern gewünschte »urgemütliche alpenländische Stimmung« zumindest bei mir spontan noch nicht ein. Doch die langen Menschenschlangen vor den Kassen sehen aus wie die, die auch vor den Seilbahnstationen in den alpenländischen Skiregionen anstehen. Wer Skifahren will, muss anscheinend überall erst einmal warten.
Fototapete als Alpenpanorama
Nachdem ich die Tageskarte (ab 29 Euro) endlich in Händen halte, brauche ich dringend eine Stärkung. Die finde ich im »Jausenstadl« in Form einer knusprigen Brez’n (1,60 Euro) und eines schaumigen Milchkaffees (2,40 Euro). Und während ich dann durch die Panoramascheibe das Pistentreiben betrachte, kriege ich langsam Lust auf ein wenig Sport.
Im Inneren der Skihalle liegt die Temperatur das ganze Jahr über konstant bei minus fünf Grad Celsius. Was ganz schön ungemütlich werden kann, wenn man sich nicht bewegt. Also schlage ich entschlossen den Kragen meines Anoraks hoch, schnalle die Bretter an und setze mich in den Sessellift (»nur für fortgeschrittene Fahrer«), der mich zur »Bergstation« auf 110 Meter befördert. Dort erwartet den Ankömmling zwar kein Gipfelkreuz, dafür aber eine riesige Fototapete mit dekorativem Alpenpanorama. Die Abfahrt bietet ein Gefälle von 28 Prozent. Wem das zu rasant ist, fährt besser mit einem der beiden Schlepplifte hoch. Die sind für Anfänger gedacht, führen nicht ganz so steil hinauf und bieten Abfahrten mit einer Neigung zwischen zehn und 15 Prozent. Für Snowboarder gibt’s eine Sprungschanze, und Skifahrer, die gerne um Buckel herum carven, werden ebenfalls gut bedient. Mit einer Deckenhöhe von 14 Metern ist die Halle zwar zugegebenermaßen recht hoch, doch die Luft in ihr ist nicht wirklich frisch – eher muffig und drückend. Dafür ist der Schnee erstaunlicherweise »g’führig« wie Pulverschnee. Was daran liegt, dass man in Neuss, anders als in den meisten Skihallen, wo man auf »Crushed-Ice« fährt, auf ein einzigartiges »Beschneiungskonzept« setzt: Zehn in die Decke integrierte Schneemaschinen lassen die weiße Pracht rieseln. Allerdings nur in der Nacht: Dann werden die Pisten frisch beschneit und präpariert.
Stolz verweisen die Betreiber der künstlichen Winterwelt darauf, dass die Halle ökologisch durchaus korrekt sei: Dank eines ausgeklügelten »Schneekreislaufs« ist der Energieverbrauch der »größten Indoor-Wintersport-Region Europas« gerade einmal halb so hoch wie der eines herkömmlichen Schwimmbades.
Après Ski mit Kasnock´n, Stiegl Bier und DJ Charly
Mein Energieverbrauch ist wegen der ungewohnten sportlichen Betätigung umso höher. Aus diesem Grund übe ich nach einer Stunde Wintersport den Einkehrschwung, den Lieblingsschwung jener Skifahrer, die sich nur deshalb freiwillig in eisiger Kälte bewegen, weil danach das Essen umso besser schmeckt. Auch mir haben die deftigen »Kasnock’n« (6,40 Euro) im Pistenrestaurant »Edelweiß« vorzüglich gemundet. Weil das österreichische »Stiegl-Bier«, das ich mir zur Feier des Tages gönne, angenehm müde macht und auch langsam der Muskelkater zwackt, verzichte
ich auf Après Ski in der »Carlsberg-Schirmbar«, wo Resident-DJ Charly, »ein ausgewiesener Stimmungsfachmann«, allabendlich die »Post abgehen lässt«.
SKIHALLE:
Allrounder Winter World,
An der Skihalle 1, 41472 Neuss
Tel 02131-12 44 0, Fax 02131/12 44 300
Öffnungszeiten:
täglich 9-24 Uhr, 1. Mai bis 30. September 10-23 Uhr.
Wegbeschreibung:
Auto:
Von der A 57 kommend an der Anschlussstelle Neuss-West auf die A 46 Richtung Aachen –
an der ersten Ausfahrt, Neuss-Holzheim, abfahren – den Beschilderungen »allrounder winter world« folgen
Bahn:
Ab Düsseldorf oder Köln mit der S-Bahn nach Neuss Hbf. Den Bus 843 Richtung Grefrath nehmen und an der Haltestelle Skihalle aussteigen.
Preise:
Tageskarte: wochentags 29 EUR, Sa/So: 35 EUR, Stundenkarte: 15 EUR, Mondscheinkarte (20-24 Uhr): 20 EUR.
Verleih: Skischuhe 4 EUR, Skier 6 EUR, Ski- und Snowboardkurse 59-109 EUR.
Weitere Informationen:
z.B. über Veranstaltungen und Events im Internet unter: www.allrounder.de