Sowohl-als-auch-Rhetorik

Anfang Februar unterschrieben CDU und Grüne einen Koalitionsvertrag.

Auf dem Weg dorthin waren Personalfragen anscheinend das größte Hindernis.

Vom »finanziellen Notstand« ist die Rede. Und davon, dass die Situation der Stadt so »dramatisch wie noch nie in den letzten Jahrzehnten« sei. Nach der geplatzten GAG-Privatisierung, deren Erlös allzu voreilig von der CDU/FDP-Koalition eingeplant worden war, muss nun insgesamt ein Fehlbetrag von rund 520 Mio. Euro ausgeglichen werden – »schmerzhafte Einschnitte« sind angekündigt. Doch am 6. Februar, in der ersten Ratssitzung nach dem Scheitern der alten Koalition, überwog unterm Strich Klassenfahrtsstimmung bei Schwarz-Grün. Barbara Moritz, Fraktionschefin der Grünen, wurde im Vorfeld nicht müde, die prima Stimmung bei den Koalitionsverhandlungen zu schildern, und CDU-Fraktionschef Rolf Bietmann erklärte dem beleidigten Ex-Koalitionskumpel Ralph Sterck (FDP), dass er seinerzeit schon mit OB Harry Blum (CDU) Schwarz-Grün anvisiert habe.

Zugeständnisse der CDU

Doch der Druck lastete nach dem Scheitern der Privatisierung schwer auf Bietmann. Der Graben zu der nach Korruptions- und Müllskandal immer noch desolat wirkenden SPD schien zu tief. Bietmann wollte die Grünen als Partner gewinnen. Das erklärt einige Zugeständnisse der CDU.
Bei der Flüchtlingspolitik konnten sich die Grünen durchsetzen. Bietmann, bislang Hardliner einer Abschreckungspolitik, scheint einen plötzlichen Sinneswandel durchlebt zu haben. Flüchtlingsschiff und Sammelverpflegung sollen möglichst schnell aufgegeben werden; darüber hinaus will man einen Runden Tisch mit Kirchen und Verbänden einrichten. Ähnliche grüne Erfolge beim Thema Fluglärm: Im Vertrag ist ein Nachtflugverbot zwischen null und sechs Uhr für Passagiermaschinen verankert. Und auch der umstrittene Ausbau des Niehler Gürtels wird gestoppt – das Geld fehlt. Die CDU allerdings möchte sich »eine Option für die Zukunft nicht verbauen«, wie es in der Koalitionsvereinbarung heißt.

Konsens gesucht

Grundsätzlich ist der schwarz-grüne Koalitionsvertrag um eine rhetorische Einebnung inhaltlicher Differenzen bemüht – leitmotivisch durchzieht ein Sowohl-als-auch das 30-Seiten-Papier: Ökonomisch müsse man handeln, aber auch ökologisch; »schmerzliche Eingriffe in lieb gewonnene Projekte« müssten vorgenommen werden, aber natürlich »nachhaltig und gerecht«.
Ein Scheitern drohte bei den Koalitionsverhandlungen bezeichnenderweise allein bei den personellen Besetzungen der Dezernentenposten. Die Grünen konnten sich mit einem Vorschlagsrecht für das neue Stadtentwicklungs-Dezernat, das aus dem Wirtschafts-Dezernat ausgegliedert wird, nicht durchsetzen. Thematisch ein Bereich, auf den Barbara Moritz großen Wert legt.
Allerdings besitzen die Grünen jetzt ein Vorschlagsrecht für das neue Dezernat für Soziales, Wohnungswesen und Beschäftigungsförderung. Die CDU hingegen für Jugend, Schule, Sport und Weiterbildung.

Schmerzhafte Einschnitte

Zur Einsparung eines Dezernats, wie es selbst OB Schramma (CDU) vorgeschlagen hatte, kommt es indes nicht. Der OB war auch sauer, weil der Verwaltung der schwarze Peter zugesteckt würde: Die Dezernenten sollten Vorschläge zur Einsparung von 55 Mio. Euro in diesem Jahr machen. Hier werden tatsächlich »schmerzhafte Einschnitte« vorgenommen.
Einsparungen bei der Sozialhilfe, die Abschaffung des Familienpasses, weniger Geld für die Aids-Hilfe und sozialpsychiatrische Zentren, drei VHS-Stellen und mindestens drei Jugendeinrichtungen sollen schließen. Als die Dezernate die Vorschläge öffentlich machen, liegen die Nerven blank: Schramma gerät mit der parteilosen Kulturdezernentin Marie Hüllenkremer aneinander, die sich zunächst weigerte, Streichungen in ihrem Ressort im vorgesehenen Umfang vorzunehmen.

Trend Sparen

Die vageren Spar-Ideen im Koalitionsvertrag indes sind besser zu vermitteln. Schwarz-Grün verpasst sich das Image der Super-Sparfüchse mit trendigem »Geiz ist geil«-Image, ohne dafür kritisiert werden zu wollen. Daher die gebetsmühlenartig wiederholten Beschwörungen der finanziell desaströsen Situation. 180 Mio. Euro will man aus Vermögensveräußerungen erzielen, die nicht zur »Daseinsfürsorge« der Kommune nötig sind, etwa Beteiligungen an NetCologne, der Kölner Außenwerbung und Radio Köln. Dazu sollen erhöhte Gewinnabführungen der Stadtwerke und der GAG kommen, rund 75 Mio. Euro allein in diesem Jahr.

Softie-Privatisierer am Werk

Der Vorwurf, eine Privatisierung von GAG/Grubo hätte die drastischen Einsparungen verhindert, kontert der Grüne Jörg Frank mit dem
Hinweis, dass die 420-Mio.-Einnahme die Konsolidierung lediglich aufgeschoben hätte, eine Deckungslücke von 120 Mio. Euro würde demnach trotzdem bestehen. Pikant ist allerdings, dass trotz der verhinderten Privatisierung die Miete für GAG-MieterInnen vermutlich ansteigen wird – schließlich soll das Wohnungsbauunternehmen höhere Gewinne ausschütten. Für Jörg Detjen (PDS) ist klar: »Jetzt sind die Softie-Privatisierer am Werk.«
Doch trotz Sparwahn sind sich CDU und Grüne einig, das Hänneschen-Theater dauerhaft zu erhalten«. Wer die teils abstrusen Rechtfertigungen und wendehalsigen Reden im Rat gehört hat, wird daran keinen Zweifel haben.

Diskussion:
13.3., 19.30 Uhr, Bürgerhaus Stollwerck. Unter dem Titel »Schwarz-grüne Koalition – genug grünes Profil?« laden die Kölner Grünen zur Diskussion, u.a. mit Barbara Moritz.