»Griechen raus«

André Erlen von Futur3 übernimmt die künstlerische Leitung des EU-Projekts »Taburopa«

André, du kuratierst ein interna-tionales Recherche- und Theaterprojekt zum Thema Tabu, das in Portugal, Polen, Belgien und Deutschland realisiert wird. Das klingt nach einem Riesen-Ding.
Ja (lacht), das ist es auch. Wir haben allein über zwei Jahre gebraucht, um den Förderantrag für Brüssel zu schreiben. »Taburopa« ist ein Begegnungsprojekt. Die Förderung läuft also nicht zentral von Köln aus, sondern die eingeladenen Künstler mussten auch Unterstützer vor Ort finden und bereit sein, einen Austausch zu organisieren. Das war Voraussetzung. Aber es ist geschafft. Jetzt sind wir wie eine WG über ganz Europa verteilt. 

 

Wer nimmt teil? Kobalt.works aus Brüssel, die Warschauer Association of Culture Practitioners, das Teatro Praga aus Lissabon und wir, Futur3, werden auf Basis intensiver Recherchen in den jeweiligen Städten Performances zum Thema entwickeln. Das Projekt ist auf ein Jahr angelegt, die Uraufführung erleben die künstlerischen Statements in Köln beim Sommerblut Festival im Mai. 

 

Warum habt ihr euch das Thema Tabu ausgesucht? Durch die Finanzkrise wurden die öffentlichen Debatten in Europa gleich schärfer. Während man vorher versucht hatte, gleiche Werte innerhalb der EU-Länder zu betonen, wurde auf einmal die Souveränität der Nationalstaaten verteidigt. Die Griechen wurden zu den »Anderen« erklärt, eine Gefahrenzone, von der »wir« uns abgrenzen müssen. Es gab ein unausgesprochenes Meidungsgebot: ein Tabu. Wir konzentrieren uns auf diese negativen Regelwerke in Gesellschaften, um uns dadurch neu kennenzulernen. Es sind immer die Tabubrüche, welche die Kunst weiterbringen. 

 

Geht es um Prozesse, wie man sich selbst durch Tabus abgrenzt? Wir bieten eine Herangehensweise, die Futur3 typisch ist. Erst einmal versuchen wir den Begriff zu verstehen. Bei der Auftaktveranstaltung konfrontieren wir uns mit persönlichen Tabus und haben Spezialisten eingeladen: einen -Ethnologen und einen Be-statter, die in ihrem Alltag mit Tabus zu tun haben. Wir wollen wissen, wann und wie ist der Begriff aus Polynesien entstanden, wie lief der Transformationsprozess in die europäische Kultur und wann tauchte er in der Kunst auf. Dazu haben wir ein viertägiges Programm auf die Beine gestellt, in dessen Rahmen wir auch den Klassiker des ethnologischen Films »Tabu« von Friedrich Wilhelm Murnau zeigen werden.