Der veredelte Kölner
Es war eine dieser Meldungen, die wir nicht verstanden haben. Ende August stellte das Land seinen neuen Kommunalsoli vor, am gleichen Tag beschwerte sich die Stadt Köln. Man bekomme zwar mehr Geld vom Land, aber nicht so viel wie erwartet. Was war da los? War der Wunsch Vater der Haushaltsplanung? Wir haben also nachgefragt und beantworten die wichtigsten Fragen
Oje, Kölner Finanzpolitik. Haushaltssperre, Gewerbesteuerrückzahlung — da herrscht doch sowieso Chaos. Stimmt. Aber das Chaos hat diesmal System. Der Name des Systems lautet »Gemeindefinanzierungsgesetz« (GFG). Das GFG legt eine Reihe von Faktoren fest, nach denen die Stadt Köln Geld vom Land bekommt, zum Beispiel gehen Schüler, Sozialhilfeempfänger oder Beschäftigte in die Berechnung ein. Für 2014 erhält Köln rund 375 Millionen Euro, also gut ein Zehntel des Haushalts von 3,9 Milliarden Euro. Gerechnet hatte man mit 398 Millionen — 23 Millionen mehr.
23 Millionen? Das ist ja nicht mal ein Prozent des Haushalts. Und dafür das ganze Theater? Das scheint auf den ersten Blick wenig. Aber man könnte zum Beispiel die laufenden Kosten für sieben Kölner Museen davon bezahlen. Genau dafür ist das GFG auch da. Das Stichwort an dieser Stelle lautet »Zentralitätsfaktor«: Köln erhält Geld dafür, dass seine Sehenswürdigkeiten auch von Menschen besucht werden, die nicht hier wohnen. Für eine Kleinstadt im tiefsten Sauerland ist der »Zentralitätsfaktor« niedriger.
Das ist ja auch in Ordnung. Schließlich stellen wir ja nicht nur Museen bereit, sondern auch Straßen für Pendler aus Pulheim und Bergisch-Gladbach. Kölner zu sein ist ein teurer Spaß. Das ist auch dem Land NRW klar. Denn die Zahl der Einwohner ist ein wichtiger Faktor im GFG — je mehr Menschen in einer Stadt leben, je mehr Geld fließt vom Land. Aber nicht jeder Nordrhein-Westfale ist dem Land gleich viel wert. Gemeinden mit weniger als 25.000 gemeldeten Einwohnern bekommen einen Basissatz von 100 Prozent. Darüber wird veredelt: Pro Bochumer werden schon gut 130 Prozent des Basissatz angerechnet, für jeden Kölner waren es lange deutlich mehr als 150 Prozent. 2014 ist der Kölner erstmals »nur« 148 Prozent wert — deshalb die fehlenden 23 Millionen.
Unverschämtheit! Wir Kölner sind doch die Exzellenzquelle für das gesamte Bundesland! Das sehen die kleineren Gemeinden in NRW aber anders. Über 80 von ihnen haben Verfassungsklage gegen das GFG eingelegt. Denn die Begründung für diese Praxis stammt aus dem Jahr 1932. Der preußische Finanzbeamte Johannes Popitz erklärte damals, die Landbevölkerung sei schlicht weniger anspruchsvoll als die Städter. Also könnten sie über ungepflasterte Straßen stapfen, wohingegen die Einwohner der Großstädte eine andere Kulturstufe erreicht haben und somit ein Recht auf schlammfreie Schuhe hätten. Die Folgen dieser Unterscheidung spürt man noch heute. Allerdings hat Köln auch höhere Kosten. Wegen der Mietpreise gibt es mehr Wohngeld-empfänger und die Mieten für Hartz IV-Bezieher sind auch höher als z.B. in Bochum oder Düren.
Was plant die Stadt jetzt, um an mehr Geld zu kommen? Eine Zweitbettensteuer? Das ist nicht ganz klar. Ein beliebtes Mittel für mehr Einnahmen ist die Gewerbesteuer. Die Städte in Nordrhein-Westfalen erheben die höchsten Gewerbesteuern in ganz Deutschland. Andererseits ist nicht klar, ob eine höhere Gewerbesteuer auch automatisch mehr Einnahmen bedeutet. Die Gemeinde Monheim konnte durch eine Senkung mehr Unternehmen ansiedeln. Manfred Ropertz von der Kämmerei der Stadt Köln bezeichnet das als »Gewerbesteuerdumping«. Zudem würde jeder Cent, den eine Gemeinde durch niedrigere Gewerbesteuern einnähme, bei einer anderen Gemeinde fehlen. Den Großteil der Gewerbesteuereinnahmen bekommt aber eh jemand anders — der Bund oder die Länder. Nur gut zehn Prozent bleiben bei den Städten. Kein Wunder, dass die Stadt Köln lieber versucht, die Kommunalfinanzen mit Betten- und Zweitwohnsitzsteuer aufzubessern.
Okay. Und was bedeutet das alles jetzt für mich? Das weiß noch niemand. »Ich kann nicht sagen, wie sich das jetzt genau bemerkbar macht«, meint Manfred Ropertz. Der Haushalt 2013/2014 ist erstmal genehmigt, wegen des GFG-Anteils verhandelt man mit dem Land. Und falls danach gespart werden sollte, dann bei den »freiwilligen Leistungen«, z.B. Kultur- und Jugendeinrichtungen. Oder es kommt wirklich eine Zweitbettensteuer?...