der dummy lebt
Eigentlich sollte es nur ein kurzlebiger Architekturdummy sein, der 1979 auf einem ehemaligen Schulgelände im Stadtteil Volkhoven errichtet wurde. Die Kölner Architekten Peter Busmann und Godfrid Haberer wollten ihre Entwurfsvorstellungen für die Tageslicht-Ausstellungsräume des neuen Museum Ludwig empirisch überprüfen. So entstand ein äußerlich wenig repräsentativer Bau, der im Innern als Museums-Simulator für Lichtführung, Wandverkleidungen und Bodenbeläge diente. Nachdem er seine Schuldigkeit getan hatte, wäre Abriss die logische Konsequenz gewesen. Das allerdings wusste die Künstlerin Eva Janoskova, die auf dem Gelände ihr Atelier betrieb, zu verhindern. Den Kölner Kunstgängern ist die Architekturprobe seit 1986 als »Simultanhalle« bekannt – eine Namensgebung, die zurückgeht auf die fiktive Eröffnung des »Klaus Peter Schnüttger-Webs Museum«, die dort zeitgleich zur offiziellen Einweihung des Museumskomplexes am Dom inszeniert wurde. Diese Kunstaktion von Bettina Gruber, Ulrich Tillmann und Maria Vedder verknüpfte per Konferenzschaltung »Echtes« und Simuliertes, Vorbild, Abbild und Nachbild, »high« und »low«, Zentrum und Peripherie miteinander.
Nach inzwischen über 150 KünstlerInnen, die dort ausgestellt haben, nach vielen sehr unterschiedlichen Programm-MacherInnen und der Schaffung eines Fördervereins im Jahr 1990 verebbten die Aktivitäten in den letzten Jahren mehr und mehr. Einige werden sich noch an die spektakuläre Aktion des russischen Künstlers Igor Sacharow-Ross erinnern, der 2000 ein mächtiges Blockhaus vor die Halle setzte, das bis heute das Areal, als stünde die Umwandlung in ein Freilichtmuseum bevor, optisch dominiert.
Ein vierköpfiges Kuratorenteam tritt nun an, um den Blick erneut auf dieses eigentlich schon als historisch zu bezeichnende Kunstbetriebs-Kuriosum zu lenken: die Designerin Hella Gerlach, der Kunstvermittler Jens Mentrup und die beiden Kunsthistoriker Gerd Mörsch und Stephan Strsembski. So offen und subjektiv wie der neue Namenszusatz »Simultanhalle – Raum für junge Kunst« klingt auch die Programmkonzeption: Die eingeladenen KünstlerInnen rekrutieren sich aus den thematischen Umfeldern der Vier und sollen eine »neue Generation von unideologischen, sehr direkt und persönlich« agierenden Künstlern repräsentieren, die »Geschichten« zu erzählen haben. Dass in diesem Zusammenhang die Begriffe »Diskurs« und »Netzwerk« nicht fehlen dürfen, versteht sich von selbst. Für mindestens drei Jahre wollen sie ihren Simultanhallen-Betrieb, »komme, was da wolle«, garantieren. Die bisher für 2003 in Aussicht gestellten städtischen Fördermittel werden, wenn die Summe des Vorjahrs nicht gekürzt wird, ca. 4.500 Euro betragen und lassen auf einen gesunden Ehrgeiz und einigen Idealismus bei den neuen OrganisatorInnen schließen. Zumal sich dieser ursprüngliche Kurzzeit-Bau ohne Heizung inzwischen in einem reparaturbedürftigen Zustand befindet, da die undicht gewordenen Oberlicht-Fenster ordentlich Wasser durchlassen und das als temporär installierte Blockhaus entfernt werden muss. Die Spuren des Verfalls haben aber auch ihren Simulations-Reiz: Als würde man das 2003 geschlossene Museum Ludwig Jahre später, z.B. pünktlich zur Ausrufung Kölns als »Europäische Kulturhauptstadt« im Jahre 2010, wieder betreten...
Auf die Frage nach der Motivation für das kräftezehrende 3-Jahre+X-Projekt führen die Vier neben ihren Kuratorenkarriere-Ambitionen die derzeitige Lage der aktuellen Kunstszene jenseits der zahlreichen Galerien ins Feld. Sie konstatieren einen ausgeprägten Mangel an gewichtigen Nonprofit-Orten, gerade jetzt: Der auch über Köln hinaus bekannte Schnitt-Ausstellungsraum muss den Abgang der Gründerin Corinna Schnitt verschmerzen, der Kölnische Kunstverein ist seit bald einem Jahr in eine Umzugs-, Umbau- und Selbstfindungspause abgetaucht... Aber auch die Besonderheit des Gebäudes, seine ereignisreiche Vergangenheit und der Bekanntheitsgrad des Namens rufen nach Wiederbelebung. Gerade weil man sich hier nicht in der kölsch-gemütlichen Innenstadt befindet. Auf das Problem » Randlage« wird mit speziellen Öffnungszeiten und Veranstaltungen reagiert. Je nach gezeigtem Projekt sollen die Volkhovener Aktivitäten auch immer wieder ihre Spuren im Zentrum der Stadt hinterlassen – als Lockmittel und Brückenschlag hin zur Peripherie. Am 28. März geht es los mit einer Installation und Videos von dem Trockel-Schüler Robert Elfgen unter dem Titel »Raumtaucher«. Es folgt Sebastian Mayer mit
»redesigndeutschland-standardportraet« und anschließend Malerei von Carsten Fock, dessen Arbeiten vor kurzem in der Galerie Borgmann-Nathusius zu sehen waren. Der weitere Programmablauf ist bis in den November schon mit Namen und Daten versehen. Ob das den Angehörigen und Nichtangehörigen der Szene jung und diskursiv genug ist, wird sich bis dahin zeigen.
Hauptsache die Kölschen machen sich auf den Weg in die Substadt, denn die Lage der Simultanhalle an sich gibt schon Einiges her: ein zwischen Gründerzeithäusern gelegener Skulpturenteileparkplatz, umschlossen von Einfamilienhausidyll und Reihenhausglück, mit erstaunlichen Garagen-Barrikaden in der Nachbarschaft und einem grandiosen Blick auf monumental hingestreckte Verwaltungsbauten vor der Wohnburgkrone Chorweilers. Und das alles in perfekter Verkehrsanbindung: S-Bahn (Linie 11) von Köln-Hauptbahnhof bis Volkhovener-Weg in 13 Minuten!
Simultanhalle e.V., Volkhovener Weg 209-211, sa/so 14-18 Uhr u.n. Vereinbarung, Austellungseröffnung Robert Elfgen am 28.3., 19 Uhr (Beschallung: Onkel Helmut), 20.4.
Weitere Infos unter www.simultanhalle.de