Die permanente Wiederkehr des Glanzes
Zoot Woman haben ein Album voller interner und
externer Bezugspunkte geschaffen, ein Überangebot an symbolischer Aufladung, ein Gestrüpp aus popkulturellen Verweisen, das früher einmal den Namen Glam trug und ihn auch heute noch getrost tragen darf. Die Verweisflut beginnt bereits beim Van Halen entlehnten Schriftzug (eine der wenigen Heavy-Bands, die auch eine Spur Glam besaßen) und setzt sich in der Dopplung fort, die Platte nach Worten von Kraftwerk »Living in a Magazine« zu benennen, die in einer Coverversion auf der Platte selbst noch einmal gesungen werden: »She\'s living in a magazine« aus Kraftwerks »The Model«.
Inszenierung von Oberfläche
Wie bei jeder gekonnten Glam-Veröffentlichung seit den glorreichen Roxy-Music-Tagen geht es hier auch um die Inszenierung von Oberfläche und eine ihr beigegebene Spur von Melancholie. »The image is real« lautet eine Zeile im Titeltrack, was heißen soll: Mediale Bilder erzeugen Realität jenseits aller Greifbarkeit. Sie sind so sexy und zugleich fiktiv und unerreichbar wie die auf dem Cover per Computergrafik geglätteten Musiker-Images von Zoot Woman. Das ständige Verharren an der Oberfläche führt zu dem, was Marshall McLuhan »permanente Emotionalisierung« genannt hat. Zoot Woman funktionieren durchgängig wie Werbung, die auf nichts weiter als sich selbst verweist. Eine Musik, die ständig nur sich selbst bejaht, erzeugt zugleich auch eine große Leere. Damit sind Zoot Woman Pop im klassischen Sinne, nämlich im Sinne von Andy Warhol, ebenso cool wie abweisend und inhaltlich letztlich nicht fassbar.
Der heute 23-jährige Stuart Price begann seine Karriere schon als Teenager mit dem nicht minder glamourösen Projekt Les Rythmes Digitales. Bereits dessen »Darkdancer«-Album, auf dem unter anderem Gäste wie Nick Kershaw mitwirkten, war ein großes Tribut an den Discopop der 80er Jahre. Les Rythmes Digitales gelang jedoch noch der Spagat, die Melodien von damals in ein zeitgemäßes Gemisch aus HipHop und House einzubauen. Zoot Woman dagegen frönen den 80ern absolut transparent, ohne irgendeine Distanz erkennen zu lassen. Aber was heißt da schon »den 80ern«?
Die Wirren der 80er
Die 80er waren das Jahrzehnt von Madonna und Prince, von Hardcore, HipHop und Crossover, von »SST-Records« und John Zorn. Unter Pop-Gesichtspunkten betrachtet war es ein ziemlich langes und ungeheuer vielfältiges Jahrzehnt, das mit No Wave in New York brachial, mit Depeche Mode eher kühl begann, um schließlich mit den ersten Wutbekenntnissen von Grunge zu enden. Zoot Woman haben sich aus diesem Jahrzehnt nur einen ganz kleinen Teilaspekt herausgepickt, nämlich den glamourösen, selbstverliebten Mainstream der Frühachtziger Stichwort: Hall & Oates gepaart mit funkigen Europop-Elementen, die damals noch durchaus eine politische Komponente besaßen. Äußerst talentiert, aber auch mit äußerst ambivalentem Ergebnis, liefert die Band um Stuart Price, der 1980 gerade mal zwei Jahre alt war, einen Aufguss jener Zeit, ohne jedoch den Kontext zu transportieren.
Damals gab es verschiedene Ansätze von Pop, darunter auch den Versuch, kritischen Gehalt mit Hilfe von Popmusik nach Mainstream-Mustern zu transportieren. Scritti Politti (der Name war Programm) spielten geschmeidigen weißen Funk und lieferten zugleich textlich ein anspielungsreiches Gemisch, das von einer Hommage an den Philosophen Jacques Derrida bis zu Zitaten von kommunistischen Theoretikern reichte. Eine ähnliche Vorgehensweise praktizierten auch Spandau Ballet, eine Band, deren Platten seinerzeit gerne als Soundtrack der »Popper« und »Yuppies« abgetan wurden, die sich aber selbst ganz anders verortete: »Ebenso wie viele andere Bands seit Beginn des Punkbooms sind wir in erster Linie Konzeptionalisten und erst in zweiter Linie Musiker.« Zu diesem in den frühen 80ern viel diskutierten Konzept gehörte die so genannte Scheinaffirmation: Diese Musiker verstießen gegen den bis in die 70er reichenden rockistischen Kanon, demnach nur laute Gitarrenmusik eine auflehnende Haltung gegenüber der Gesellschaft einnehmen kann. Dass ihre Musik nach Mainstream klang, ohne dessen Stereotypen zu transportieren, stand in einer heute fast vergessenen Tradition linken Dandytums. Ähnliche Konzepte fanden sich auch den den USA, vor allem in der stark von der Künstler-Bohème dominierten New Yorker Downtown-Szene. Musiker wie James Chance & The Contortion, aber auch die weitaus bekannteren Talking Heads spielten optisch und musikalisch mit dem Yuppie-Image, um es gleichzeitig zu destruieren. Es wundert nicht, dass Bret Easton Ellis seinem Roman »American Psycho« ein Talking-Heads-Zitat vorangestellt hat. Die emotionale Leere in einem nur noch materialistisch bestimmten Bezugssystem war immer wieder Thema der wie Roboter-Nachbauten von Yuppies auftretenden Talking Heads.
Im Pauschalisierungsbrei
Was heute gerne als 80er-Pop pauschalisiert wird und auf entsprechenden Studentenpartys direkt nacheinander läuft Depeche Mode und Nena, Soft Cell und Cindy Lauper, resultierte damals aus zahlreichen verschiedenen Ansätzen, deren jeweils eigener Background im Retro-Einheitsbrei verloren gegangen ist. Es ist zum Beispiel kaum mehr bekannt, dass Frankie Goes To Hollywood ein anspielungsreiches Konzept aus schwulem Agit-Prop entwickelt hatten, das bis zu einem Merchandise-Katalog für »Andre Gide Socks«, »Hugo Ball T-Shirts« und »Kurt Weill Sweat Shirts« reichte. Dieser ganze Ballast an Symbolen ist allerdings mitzubedenken, um zu verstehen, dass ein großer Teil des Frühachtziger-Pop nicht das ideologische Gegenteil von Punk darstellte, nicht einfach nur dessen kommerziellen Widerpart, sondern dessen konzeptionelle, zum Teil sogar politisch weitaus aufgeladenere Variante. Wenn, wie Jon Savage nicht ohne Grund in einem Interview mit Jungle World behauptete, Punk ohne Andy Warhol nicht denkbar gewesen sei, dann gilt dies ebenso für den versierten Pop jener Zeit, auf den sich Zoot Woman über weite Strecken beziehen. Beides entsprang einer Glam- und Bohème-Haltung, die sich auf je eigene Weise vom gesellschaftlichen Mainstream absetzte. Zoot Woman dagegen haben die Ästhetik der damaligen Zeit perfekt recyclet und zugleich jeglichen Kontext weggelassen. Obwohl es auf »Living in a Magazine« vor Bezügen nur so wimmelt, bleiben es doch reine Pop-Zitate ohne irgendeinen Überbau.
In den Interviews, die Zoot Woman nach Erscheinen von »Living in a Magazine« gegeben haben, zeigten sie sich als äußerst versierte Kenner der Pop- und Modewelt, die vor allem eines transportieren: die Glückseligkeit, jung und gut aussehend zu sein. So gelungen »Living in a Magazine« musikalisch auch sein mag, so fragwürdig nimmt es sich daher doch aus, dass der Frühachtziger-Pop hier nur noch als das wiederkehrt, was er seinerzeit nicht sein wollte: charmanter und banaler Lifestyle.
Die entpolitisierte Hochglanzvariante
Es ist durchaus eine Diskussion wert, ob die damalige Strategie der Scheinaffirmation in unserer Zeit noch oder sogar gerade wieder Sinn macht. Eine solche Frage stellt sich beispielsweise anhand von Blumfelds »Testament der Angst«, wo sich eine Band bewusst, nämlich aus politischen Gründen, für den Mainstream entschieden hat. Eine solche Frage kommt aber nicht mehr bei Zoot Woman auf, wo Pop nicht mehr will, als zu gefallen und zu verzaubern. Zoot Woman haben es verstanden, die 80er so zu entleeren, dass nur noch eine Hochglanz-Reproduktion übrig geblieben ist. Dies kann in Anlehnung an Warhols »Alles ist schön« als clevere Strategie bewundert werden. Es kann aber auch mit gutem Recht als Banalisierung kritisiert werden, als Teil der Tendenz, Pop ganz dem neoliberalen Taumel mitsamt seiner Erfolgsmythen zu verschreiben.
Zoot Woman live im Rahmen der Labels-Night am 18.8. im Alten Wartesaal.
StadtRevue verlost 5x2 Gästelistenplätze. E-Mail bis zum 10.8. an musik@stadtrevue.de, Stichwort: Schein ist schön