Foto: Manfred Wegener

Clever gespart und smart überwacht

Ein Projekt der Rheinenergie will Bürger zur Sparsamkeit erziehen

So richtig hell leuchtet er noch nicht, der Schriftzug über der Neusser Straße in Nippes. »Klimastraße« steht dort in etwa vier Metern Höhe. Darunter spazieren die Nippeser im Schein energiesparender LED-Straßenlaternen und werfen einen Blick ins Schaufenster des Buchladens, der seine Beleuchtung dank Smart-Home-Technik ferngesteuert dimmt.

 

So wie in der »Klimastraße« soll es künftig in vielen Straßen Kölns aussehen — zumindest wenn man den Versprechen der »Smart City Cologne« glauben mag. Man wolle mit den Bürgern »intelligente Ideen und zukunftsweisende Technologien« für den Klimaschutz entwickeln, heißt es auf der Website dieses gemein-samen Projekts von Stadt und Rheinenergie.

 

Im Mittelpunkt der »Smart City« steht das vernetzte »Smart Home«, das mit einer digitalen Messeinheit, dem so genannten Smart Meter ausgestattet ist. Damit kann man den Stromverbrauch genau messen und Stromfresser leichter identifizieren. Bereits heute müssen Haushalte, die mehr als 7000 Kilowattstunden jährlich verbrauchen oder per Solarzellen Strom einspeisen, über ein solches Gerät verfügen. »Sofern unsere Kunden das wünschen, wollen wir auf der Neusser Straße weitläufig Smart Meter installieren«, erläutert Axel Lauterborn von der Rheinenergie.

 

Die Einspareffekte sind jedoch gering. Die Stadt Zürich hat 2012 einen Modellversuch mit 800 Haushalten durchgeführt. Diese konnten ihren Energieverbrauch um durchschnittlich 3,2 Prozent senken — das sind 0,2 Kilowattstunden täglich und 73 im Jahr. Im »FairRegio«-Tarif der Rheinenergie ließen sich so rund 19,50 Euro jährlich sparen. Wählt man einen Tarif mit günstigerem Strom in den Abendstunden, lassen sich noch einmal ein paar Euro sparen, wenn man Waschmaschine und Fernsehen erst nach 20 Uhr einschaltet. Nur — so richtig rechnen dürfte sich das alles nicht. Das weiß auch Lauterborn: »Das Verlagerungspotenzial liegt bei etwa 40 Euro im Jahr.« Die Miete für das Smart Meter kostet bei der Rheinenergie jedoch 164,32 Euro zusätzlich. »Im Prinzip sollte man das Geld besser für einen energieffizienteren Kühlschrank ausgeben«, rät Holger Schneidewind von der Verbraucherzentrale Düsseldorf.

 

Trotzdem ist das Interesse an der Einführung von Smart Metern ungebrochen. Auch eine aktuelle Studie des Bundeswirtschaftsministeriums empfiehlt den massenhaften Einbau der Messsysteme. Es gebe ein »volkswirtschaftliches« Einsparpotenzial beim Ausbau des Stromnetzes, weil man durch die gesammelten Daten flexibler auf Leistungsspitzen beim Stromverbrauch reagieren könne. Allein, auf die Stromrechnung der Verbraucher muss sich das nicht unbedingt positiv auswirken. Der Strompreis wird im Wesentlichen an der Energiebörse EEX in Leipzig gebildet, wo das Angebot an Strom über den Preis entscheidet — und nicht die faktischen Kosten für
das Stromnetz.

 

Egal, mit welchem Zweck man ihren Einsatz begründet: Im Kern der Smart-Meter-Technologie steht die Auswertung von Stromverbrauchsdaten. Die Smart Meter der Rheinenergie messen diese alle 15 Minuten. Selbst mit solchen Intervallen lassen sich Rückschlüsse auf die individuellen Lebensgewohnheiten ziehen. Wird morgens geduscht, Rührei gemacht und Frühstücksfernsehen geschaut, registriert das Smart Meter den entsprechenden Anstieg im Stromverbrauch. Wie präzise das möglich ist, hat Dario Carluccio demonstriert. Er arbeitet an der Universität Bochum im Bereich IT-Sicherheit und hat zusmmen mit anderen Forschern im Dezember 2011 auf einem Kongress des Chaos Computer Club vorgeführt, wie man anhand des Stromverbrauchs eines Fernsehers Rückschlüsse ziehen kann auf das, was auf dem Fernseher läuft. »Der Fernseher verbraucht unterschiedlich viel Strom in Abhängigkeit von der Helligkeit des Bildes«, erläutert er. Kenne man den Verbrauch eines einzelnen Films, sei man später mit »ein wenig Statistik« in der Lage, den Stromverbrauch des Fernsehers aus den vom Smart Meter gesammelten Daten zu rekonstruieren. »Das lässt sich nicht abstreiten«, bestätigt Axel Lauterborn die Verknüpfbarkeit von gesammelten Daten und Lebensgewohnheiten. »Aber wir würden diese Daten niemals herausgeben oder dementsprechend auswerten.« 

 

Es muss aber gar nicht der Energieversorger selbst sein, der die Daten weitergibt. »Das Smart Meter sendet seine Verbrauchsdaten regelmäßig an den Messstellenbetreiber«, erläutert Dario Carluccio. Für gewöhnlich geschehe dies über den Internetanschluss der Verbraucher. Carluccio nutzte diese Tatsache für ein weiteres Experiment: »Die Daten wurden unverschlüsselt und unsigniert übertragen. So war es mir leicht möglich, selbst Daten zu senden.« Während das Smart Meter im Keller also den korrekten Stromverbrauch maß, erhielt Carluccios Messstellenbetreiber manipulierte Daten, die als Diagramm den Satz »You have been hacked« darstellten. Ein Experiment ganz nach den Regeln der klassischen Hackerethik: Datenschutz-lücken werden öffentlich benannt, damit sie behoben werden können. 

 

Seit Carluccios Präsentation vor gut zwei Jahren hat sich einiges getan. »Die Rheinenergie tunnelt die Daten und verschlüsselt sie«, erklärt Axel Lauterborn. Außerdem verzichte man darauf, den Internet-Anschluss der Stromkunden zu nutzen und die Daten direkt per Mobilfunk abfragen. Zudem habe man die Richtlinie des Bundesdatenschutzbeauftragten, der eine weitgehende Transparenz über die per Smart Meter gesammelten Daten fordert, umgesetzt. 

 

Carluccio ist dennoch skeptisch. »Wie soll der Verbraucher erkennen, ob jemand unautorisiert auf sein Smart Meter zugreift und dies dann technisch unterbinden?« Holger Schneidewind ist da optimistischer: »Der Gesetzgeber leistet im Bereich Datenschutz gute Arbeit«. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik habe ein Schutzprofil erstellt, das für künftige Smart-Meter-Modelle verpflichtend ist. Im Moment wartet es auf die Zertifizierung durch die EU, weshalb die Rheinenergie den Rollout von Smart Metern vorläufig gestoppt hat. Das Ende für die Smart Meter bei der Rheinenergie bedeutet dieser Schritt jedoch nicht. »Ich sehe da Potenzial im Zusammenspiel mit Smart-Home-Anwendungen«, meint Axel -Lauterborn.  Und auch die für die Altenpflege zu Hause seien digital vernetzte Stromnetze interessant: »Stellen Sie sich vor, sie haben ältere Eltern in einer Wohnung mit Smart Home. Wenn der Kunde seine Einwilligung gibt, könnten sie per App sehen, ob dort Verbrauch ist oder nicht.« 

 

Aber rechtfertigt das die massenhafte Datensammlung über Lebensgewohnheiten? Schließlich kann ich als besorgtes Kind meine pflegebedürftigen Eltern auch einfach anrufen. Vielleicht dient das Sammeln von Daten auch einer anderen Form der Kontrolle. Die Studie der Stadt Zürich spricht davon, dass sich die Energierspareffekte von Smart Metern durch »soziales Feedback zum Verbrauch anderer Haushalte« erhöhen ließen. Konkret: Wenn ich sehen kann, ob meine Nachbarn mehr verbrauchen als ich, soll ich sie freundlich auf ihren verschwenderischen Lebensstil hinweisen. Nur ein Smart Meter braucht man dafür nicht. Richard Stallman, der Gründer des Free Software Movement, hat neulich eine Alternative vorgeschlagen. Die Konzerne könnten den Strom eines Bezirks messen und durch die Anzahl der Anschlüsse teilen. Et voilà — der Durchschnittsverbrauch. Die Kunden bekommen diesen per Mail mitgeteilt und können vergleichen, ohne dass Daten übertragen werden. Aber bis es soweit ist, sind Smart Meter noch Teil des Komplexes, den der Soziologe Felix Stalder als »digitales Panoptikon« bezeichnet: Technologien, durch die ein bestimmtes Verhalten selbstverständlich werden soll. Früher benötigte man dafür externe Instanzen der Kontrolle — die Polizei zum Beispiel. Heutige Überwachungssysteme jedoch, so Stalder, »zeichnen sich dadurch aus, dass die Kontrollierten ihre Kontrolle selbst übernehmen und für dieses Privileg auch noch bezahlen.«