Der Alte versteckt sich
Er wirkt ein wenig aus der Zeit gefallen, der letzte große Patriarch im deutschen Verlagswesen: Alfred Neven DuMont, Herr über den 1802 gegründeten Verlag DuMont-Schauberg, gilt als Verleger aus Leidenschaft. DuMont schreibt Bücher, greift immer wieder in die Arbeit seiner Redaktionen ein und zelebriert gerne seine Nähe zu Verlag und Mitarbeitern. Davon war in den vergangenen Wochen allerdings nichts zu spüren: Bei keiner der Betriebsversammlungen, auf denen über die Entlassung von 84 Mitarbeitern und die Auslagerung ganzer Abteilungen gestritten wurde, war DuMont zugegen. Auch Tochter Isabella Neven DuMont ward ebenso wenig gesehen wie Christian DuMont Schütte. Alle drei Mitglieder der Verleger-familie zogen es vor, die Geschäftsführer der Belegschaft allein entgegenzutreten zu lassen. »Die Familie«, sagt ein Mitarbeiter des Ver-lages, der bald arbeitslos sein wird, »versteckt sich hinter der Geschäftsführung. Aber niemand hier glaubt, dass ohne Alfred was läuft. Das Band zur Verlegerfa-milie ist zerrissen.«
Im Verlagshaus übt man sich derweil in Beschwichtigung, doch die Angst unter den noch 850 Angestellten der Kölner Verlagsgruppe ist groß. Seitdem der Verlag auf Druck der Nazis 1934 24 Mit-arbeiter entlassen musste, hat es keine betriebsbedingten Kündigungen gegeben. Wurden Stellen abgebaut, geschah das vor allem durch Abfindungen, Versetzungen und Altersteilzeit. DuMont-Schauberg galt als soziales Unternehmen, das Wert auf einen ordent-lichen Umgang mit seinen Mit-arbeitern legte. Und sich den auch leisten konnte: Zwar gibt das Unternehmen traditionell keinen Einblick in seine Zahlen, aber bis vor wenigen Jahren waren bei deutschen Verlagen Renditen im zweistelligen Prozentbereichm an der Tagesordnung. Auch jetzt noch schreibt DuMont-Schauberg nach eigenen Angaben schwarze Zahlen.
Dies könnte sich schon bald ändern. Für das laufende Jahr rechnet der Verlag mit Anzeigenrückgängen von zehn Millionen Euro — Besserung ist nicht in Sicht. Zudem hat das Unternehmen bei seinem Engagement bei der Frankfurter Rundschau draufgezahlt: 150 Millionen Euro hat die gescheiterte Rettung der Zeitung gekostet, die nun zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung gehört und kaum noch mehr als eine südhessische Regionalzeitung ist. Auch in Berlin, dem angeblich umkämpftesten Zeitungsmarkt Europas, hat der Verlag bislang kein Glück: Die Berliner Zeitung und das Boulevardblatt Berliner Kurier stehen so unter Druck, dass bereits der Haustarifvertrag gekündigt wurde. Der Expansionskurs von DuMont-Schauberg ist gescheitert.
Darauf geht die Geschäftsführung in einem Brief an die Belegschaft, welcher der StadtRevue vorliegt, nicht ein: »Wir befinden uns in einem grundlegenden Wandel der Medienwelt und müssen hierauf reagieren. Deshalb werden wir alles tun, um unsere Wettbewerbsfähigkeit und unsere Wirtschaftlichkeit zu erhalten. Der Wandel ist vor allem aber auch eine Chance.«
Künftig werde online Geld verdient, hieß es auf einer Betriebsversammlung. »Die Entwicklung im Digitalbereich ist für die Zeitungsgruppe Köln bereits heute sehr erfreulich, sowohl inhaltlich als auch wirtschaftlich«, bekräftigte das Verlagshaus gegenüber der StadtRevue. Eine Einschätzung, die verwundert. Denn während die Axel Springer AG, bislang das erfolgreichste deutsche Verlagshaus im Online-Bereich, Personal für seine Online-Redaktionen einstellt, will DuMont auch hier sparen: Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi sollen die Online-Redaktionen von Kölner Stadt-Anzeiger und Express geschlossen werden: »Die Zeitungsgruppe will alle digitalen Aktivitäten in einer tariffreien Tochterfirma bündeln.«
Wie trüb die Zukunftsaussichten im klassischen Anzeigengeschäft sind, machte schon Spiegel-Redakteur Cordt Schnibben in einem Vortrag während der Jahrestagung des Netzwerks Recherche im Sommer in Hamburg deutlich. Langfristig, so Schnibbens These, die er mit Entwicklungszahlen aus den USA belegte, würden sich die Werbegelder an der Mediennutzung der Leser und Zuschauer orientieren. Zeitungen und Zeitschriften haben an der Mediennutzung zur Zeit noch einen Anteil von 6,8 Prozent, erhalten jedoch ein Drittel aller Werbeumsätze. Wenn die Werbeumsätze sich erst einmal der Mediennutzung angepasst haben, wird es die Verlage, wie wir sie kennen, nicht mehr geben. -Schnibben kam in seinem Vortrag zu dem Schluss, dass man die Zukunft des Journalismus nicht den Verlegern überlassen sollte — wohl auch, weil es durchaus sein könnte, dass es diese schon bald nicht mehr gibt.
Die Einschätzung Schnibbens wird offenbar zum Teil von der DuMont-Geschäftsführung geteilt: Neben den von Entlassungen betroffenen Druckern und Verwaltungsmitarbeitern werden die Veränderungen vor allem im Anzeigenvertrieb spürbar sein, der in eine tariffreie Tochtergesellschaft ausgegliedert werden wird. Deutlicher kann man den Bedeutungsverlust dieses ehemaligen Kernbereichs eines jeden Verlages kaum machen.